Use-Case für virtualisierte Steuerungstechnik

Einfacher zum Digital Twin

Schneller, flexibler, effizienter: Das steht auf der Wunschliste der Automobilindustrie bei der Entwicklung eigener Produktionssysteme ganz oben. Um dies zu erreichen, benötigen die Fabriken von heute eine neue technologische Grundlage. Genau das haben sich die Teilnehmer des Forschungsprojektes ‚Software-defined Manufacturing für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie (SDM4FZI)‘ vorgenommen. Unter Leitung von Bosch, des ISW der Universität Stuttgart und des WBK des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wollen insgesamt 30 Unternehmen in den kommenden drei Jahren die Grundlagen für eine softwaredefinierte Produktion erarbeiten. Das Ziel: einzelne Komponenten bis hin zu ganzen Fabriken lassen sich flexibel durch Software planen, steuern und verändern. Das ebnet der Automobilindustrie den Weg zu mehr Varianten und schnelleren Modell- und Produktwechseln. Das BMWK fördert das Forschungsprojekt mit rund 35Mio.€.

Steuerungsinbetriebnahme heute

Heutzutage ist die Programmierung und Inbetriebnahme von Steuerungsprogrammen ein manueller, risikobehafteter Prozess, der nur unzureichend in die übrigen Engineering-Prozesse integriert ist. Zudem können komplexe Steuerungslogiken oft erst nach Aufbau der realen Anlage an dieser getestet werden. Deshalb fallen erst ganz am Ende bei der Inbetriebnahme an der realen Anlage Fehler auf und es kommt gerade hier häufig zu Verzögerungen im Projektplan. Mit einer virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) lassen sich diese Arbeiten in die virtuelle Welt verlagern. Dann wird ein Echtzeit-Simulationsmodell der Anlage (digitaler Zwilling) an der realen Steuerung in einer Hardware-in-the-Loop Simulation (HiLS) oder einer virtuellen Steuerung in einer Software-in-the-Loop Simulation (SiLS) betrieben, um die Steuerungsprogramme simulativ zu testen, bevor die reale Anlage aufgebaut wird.

Virtualisierte Steuerungstechnik

Durch die Verschmelzung von Steuerungsprogrammierung, virtueller Inbetriebnahme und dem Betrieb der Steuerungen zur virtualisierten Steuerungstechnik wird erreicht, die Erstellung und Inbetriebnahme von Steuerungsprogrammen weiter in die virtuelle Welt zu verlagern und so zum Software-defined Manufacturing beizutragen. Viele Methoden sind dabei aus der Softwareentwicklung in der IT bekannt, wie beispielsweise das Test-Driven Development oder die Continuous-X Methoden, und werden im Rahmen des Software-defined Manufacturing auf die Produktionsbranche angewandt.

Um den Einsatz von VIBN effizient zu gestalten und Fehler möglichst frühzeitig im Engineering zu erkennen, wird eine nahtlose Anbindung zwischen digitalen Zwillingen und Steuerungssystemen gestaltet. Das Testen von Steuerungssoftware am Digital Twin wird somit zum integralen Bestandteil des Entwicklungsprozesses und stellt keinen Mehraufwand mehr dar. Dies reicht bis hin zur automatisierten Durchführung von Tests bei Änderungen an der Steuerungssoftware. Durch die häufigen Tests können nicht nur Fehler erkannt, sondern auch komplexe Ablauflogiken optimiert und somit die Softwarequalität gesteigert werden, da am digitalen Zwilling – anders als an der realen Anlage – beliebig viele Testläufe gefahren werden können. Nach der erfolgreichen virtuellen Inbetriebnahme der Anlage kann das Steuerungsprogramm dann auf die Steuerung an der realen Anlage deployed werden, wofür mit der SDM-fähigen Produktions-OT (siehe SPS-MAGAZIN 2/2022) die Grundlagen gelegt wird. Während des Betriebs einer Anlage wird auf neue Anforderungen reagiert, indem simulativ überprüft wird, welche Änderungen an der Anlage notwendig sind und ob diese Änderungen rein softwareseitig umgesetzt werden können. So werden lange Stillstand- und Umbauzeiten an der realen Anlage vermieden und die Wandlungsfähigkeit erhöht.

Neue Aufgabengebiete für digitale Zwillinge

Eine Voraussetzung für den Einsatz der virtualisierten Steuerungstechnik und der virtuellen Inbetriebnahme ist die einfache, aufwandsarme Erstellung der digitalen Zwillinge. Die im Projekt entstehende Referenzarchitektur soll dazu dienen, die Schnittstellen zwischen den Konstruktionsprozessen und dort entstehenden Teilmodellen (CAD Konstruktionsdaten, Elektrokonstruktion, etc.) zu vereinheitlichen und die Modellierung der digitalen Zwillinge zu vereinfachen. Zudem stellen bereits heute Komponentenhersteller digitale Zwillinge ihrer Komponenten auf Austauschplattformen wie dem TwinStore zur Verfügung. Diese Komponenten können dann von Anlagenbauern eingesetzt werden, um digitale Zwillinge der Gesamtanlage zu erstellen. Ein Forschungspunkt stellt hier die Validierung von digitalen Zwillingen dar. Ein Anlagenbauer muss sich sicher sein können, dass das Verhalten von zugelieferten digitalen Zwillingen, dem der realen Komponenten entspricht.

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