Die ‚Use Cases‘ sind das A und O

Aktuelle Entwicklungen beim
Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0

Die ‚Use Cases‘ sind das A und O

Unter dem Motto ‚Rami 4.0 – was kann das Modell?‘ hatte der ZVEI Mitte September Vertreter der Fachpresse eingeladen, um diese über die neuesten Entwicklungen hinsichtlich des Referenzarchitekturmodells Industrie 4.0 (kurz Rami 4.0) zu informieren. Mithilfe dieses Modells soll es künftig möglich sein, Komponenten, Anlagen oder Anlagenteile, Werkstücke, aber auch die hergestellten Produkte sowie ganze Fabriken aus ihrer Industrie-3.0-Umgebung in eine Industrie-4.0-Welt zu migrieren.
„Wir sind sicher, dass die Digitalisierung der Industrie eine der Schlüsselherausforderungen der nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte sein wird“, bemerkte Frank Bechtloff, ZVEI-Geschäftsführer, gleich zu Beginn der Veranstaltung. Um Industrie 4.0 wirklich voranzutreiben, sei eine weitestgehende Offenheit in der Kommunikation mit anderen Akteuren auf diesem Gebiet vonnöten. Dies sagte Bechtloff auch mit Blick auf das International Internet Consortium (IIC), das mit der Industrial Internet Reference Architecture (IIRA) ebenfalls ein Referenzmodell entwickelt hat. Laut Meinung des ZVEI sei dies aber sehr IT-fokussiert und vornehmlich auf das Internet of Things (IoT) ausgerichtet, während Rami 4.0 ausdrücklich für die Fertigungs- und Prozessindustrie sowie den Maschinenbau entwickelt wurde. Auf internationaler Ebene erwähnte Bechtloff vor allen China, Japan und die USA, die sich ebenfalls diesem Thema verschrieben hätten. „Darüber hinaus sollten alle Systeme, die im Zuge von Industrie 4.0 entwickelt werden, offen sein für andere Systeme und Standards“, so Bechtloff. Insgesamt gelte es, Kompetenzen zusammenzuführen, um beste Ergebnisse erzielen zu können.

Rami 4.0: Achsen, Assets und Verwaltungsschalen

Auf der Veranstaltung in Frankfurt erläuterten Dr. Peter Adolphs und Dr. Michael Hoffmeister, beide Mitglieder des ZVEI-Führungskreises Industrie 4.0, die grundlegende Struktur des Referenzarchitekturmodells. Prinzipiell geht es bei Industrie 4.0 darum, dass alle Komponenten einer Fabrik künftig ein IoT-Interface erhalten, damit sie einmal untereinander, aber auch mit einer Daten-Cloud kommunizieren können. Zunächst besitzt diese Kommunikation allerdings keine geordnete Struktur. Genau hier setzt Rami 4.0 an, denn die Referenzarchitektur ist ein dreidimensionales Schichtenmodell mit den drei Achsen ‚Hierarchy Levels‘ (Hierarchiestufen innerhalb einer Fabrik), ‚Life Cycle & Value Stream‘ (Lebenszyklus von Anlagen und Produkten) sowie ‚Layers‘ (digitales Abbild z.B. einer Maschine). Anhand dieses Modells, so der ZVEI, lassen sich nun die Anforderungen unterschiedlicher Anwenderindustrien mit national und international vorhandenen Standards auftragen, um Industrie 4.0 zu definieren und weiterzuentwickeln. Ein weiterer wichtiger Aspekt besteht darin, die vorhandenen Hard- und Software-Komponenten einer Fabrik so auszustatten, dass ihnen eine Industrie-4.0-konforme Kommunikation möglich wird. Besagte Komponenten werden in der Industrie-4.0-Umgebung als Assets bezeichnet. Jedem dieser Assets sind Daten zugeordnet – Typ-Daten wie z.B. Datenblattangaben sowie einem individuellen Einzelstück zuordenbare Instanz-Daten wie Kalibrierdaten -, die einem Industrie-4.0-Netzwerk über die sogenannten Verwaltungsschalen bereitgestellt werden. Dieses IT-Interface kann, je nach Ausstattung des Assets, auf dem Asset selbst oder auf einem externen Server installiert sein. Im Sinne von Industrie 4.0 ist es wichtig, möglichst alle relevanten, im Verlaufe ihres Lebenszyklus gesammelten Daten einer Hard- und Softwarekomponente in einer Verwaltungsschale zu hinterlegen, um so ein möglichst exaktes digitales Abbild dieser Komponente zu erhalten. Je nach Bedarf können sich nun die einzelnen Teilnehmer an diesem Netzwerk der für sie wichtigen Informationen bedienen, um letztendlich eine intelligente Fabrik zu realisieren.

Der Knackpunkt: Nachfrage kreieren

Doch wem nützt die beste Referenzarchitektur, wenn diese auf einer akademischen, rein theoretischen Ebene verhaftet bleibt? Um eine nennenswerte Nachfrage im Sinne von ‚das muss ich haben‘ bei potenziellen Anwendern zu schaffen, sei es dringend notwendig, rasch eine möglichst breite Palette an ‚Use Cases‘ – also praktischen Anwendungsszenarien von Industrie 4.0 in unterschiedlichen Branchen wie beispielsweise der Automobilindustrie, Verfahrenstechnik oder dem Maschinenbau – präsentieren zu können, bei denen die Vorteile des Zukunftsprojektes verdeutlicht werden. „Mit diesem Thema beschäftigen wir uns seit geraumer Zeit sehr intensiv, und wir arbeiten gegenwärtig mit unterschiedlichen Industrien an solchen ‚Use Cases‘, auch um die Praktikabilität von Rami zu spiegeln und zu sehen, ob diese Referenzarchitektur die richtige Methode ist, um konkrete Problemstellungen im Sinne von Industrie 4.0 lösen zu können“, betonte Gunther Koschnick, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Automation. Bereits heute mangele es zwar nicht an Anwendungsbeispielen, die sich selbst in den Industrie-4.0-Kontext einsortierten. „Dies sind aber durchweg proprietäre Lösungen und nicht kompatibel mit der offenen, universell anwendbaren Industrie-4.0-Semantik im Rami-Sinne“, sagte Martin Hankel, ebenfalls Mitglied im ZVEI-Führungskreis Industrie 4.0. Auf einen weiteren, für den Erfolg von Industrie 4.0 wichtigen Punkt wies ZVEI-Geschäftsführer Frank Bechtloff hin: „Bei den großen Firmen steht Industrie 4.0 ohnehin schon auf der Agenda. Es geht nun darum, auch die kleinen und mittelgroßen Unternehmen bei dem Thema abzuholen. Hierzu ist es nötig, das Optimierungspotenzial in bestehenden Geschäftsmodellen möglichst deutlich aufzuzeigen.“


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