„Wir können alles vernetzen“

Interview mit Mike Granby, Red Lion Controls

„Wir können alles vernetzen“

Die industrielle Steuerungstechnik ist längst massentauglich geworden, davon ist Mike Granby überzeugt. Bei der Kommunikation sei das hingegen noch anders. Wie sich dieser Gesichtspunkt auf den Anspruch der durchgängig vernetzten Fertigung auswirkt, darüber hat das SPS-MAGAZIN mit dem
Geschäftsführer von Red Lion gesprochen.
Was gibt es Neues bei Red Lion, Herr Granby?

Mike Granby: Da gibt es einiges zu berichten, allein auf Produktseite: Unsere HMIs der Graphite-Serie werden im Markt sehr gut angenommen. Sie sind noch keine zwei Jahre auf dem Markt verfügbar, aber das Interesse an den Panels und die Akzeptanz sind sehr hoch – und dementsprechend steigt die Zahl der Anwendungen und das Einsatzspektrum. Der Schlüssel für den Erfolg liegt meines Erachtens darin, dass alle Informationen in der vernetzten Fabrik auf unseren Operator Panels zusammenlaufen. Sie bilden die Schnittstelle zum nächst höheren Level. Diesem Ansatz folgend haben wir auch die Breite unseres HMI-Angebots ausgebaut und sind jetzt passend positioniert, um Lösungen für die heutigen Konnektivitätstrends zu bieten.

Wie schätzen Sie denn die tatsächliche Geschwindigkeit ein, mit der sich der Markt zur durchgängig vernetzten und smarten Fabrik hin entwickelt?

Granby: Bei diesem Punkt haben unsere Kunden und auch die Endanwender mittlerweile eine klare Vorstellung davon, was sie erreichen wollen. In der konkreten Umsetzung gibt es aber natürlich noch die ein oder andere Herausforderung zu meistern. Plant man eine komplett neue Fabrik auf der grünen Wiese, ist eine durchgängige Vernetzung verhältnismäßig einfach. Wenn es aber um bereits existierende Strukturen und einen Mix an verbauten Komponenten, Technologiekonzepten und Herstellern geht, gestaltet sie sich ungleich schwieriger. Bildlich gesprochen: Wie soll man neue Funktionen integrieren, wenn bereits alle Ports an der SPS proprietär belegt sind? An dieser Stelle bringen wir unsere Stärken ins Spiel. Red Lion hat sich immer schon mit den Aspekten der vernetzten Fabrik beschäftigt und so sind unsere Komponenten heute kompatibel zu mehr als 300 Industrieprotokollen. Wir können also quasi mit allem sprechen, was im Feld verbaut ist. Zudem können wir sogar Daten aus Steuerungen auslesen, die eigentlich gar keine entsprechende Schnittstelle besitzen. Aus unserer Sicht passt die heutige Entwicklung also sehr gut und wir können den Anwender mit praxistauglichen Lösungen unterstützen, die er schon morgen einsetzen kann, und nicht erst in fünf Jahren.

Sind denn Ihrer Meinung nach die OEMs überhaupt schon bereit für die durchgängige Vernetzung?

Granby: Wenn man die 4.0-Geschichte als große Vision und Revolution versteht? Nein! Das ist für die meisten Unternehmen aus heutiger Sicht uninteressant. Aber nur weil man noch nicht bereit für die komplette Vision ist, kann man doch darauf zugehen, mit einzelnen Schritten und damit schon konkreten Mehrwert schaffen. Dementsprechend gestalten wir unser Angebot: Red Lion ist kein Komplettausrüster für die Industrie-4.0-Fabrik auf der grünen Wiese. Stattdessen sind wir diejenigen, die bestehende Kommunikationsinseln miteinander verbinden und dadurch Mehrwert für den Anwender generieren. In den unteren Ebenen der Produktion gibt es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten und entsprechend viel zu tun. Das ist die Stelle, an der wir ansetzen.

Welche Vorteile bieten Sie auf dem Markt, die der Wettbewerb in dieser Form nicht liefern kann?

Granby: Hier gibt es unterschiedliche Aspekte. Ein ganz wichtiger Punkt ist: Red Lion ist dafür bekannt, die schwierigen Aufgabenstellungen zu meistern – einfach kann jeder. Dafür bieten wir unter anderem unseren großen Erfahrungsschatz bei Kommunikation, Konnektivität und Vernetzung sowie die Vielseitigkeit auf Protokollseite, die dazu führen, dass wir quasi alles vernetzen können. Die damit einhergehende Sicherung der Produktivität sorgt dann für entsprechendes Vertrauen auf Industriekundenseite. Weil wir als Experten für Netzwerktechnik auch immer die Industrie im Fokus hatten und nicht die IT, ist unsere Software auf die industrielle Automatisierung abgestimmt und für Personen mit industriellem Background besonders verständlich und einfach zu bedienen.

Wie verhält sich der Stellenwert der industriellen Kommunikation im Vergleich zur Steuerungstechnik?

Granby: Am Thema Steuerungstechnik kommt schon lange keiner mehr vorbei – jeder muss sich damit auseinandersetzen und die SPS beherrschen. Bei der Vernetzung der jeweiligen Systeme ist das aber anders, weil die Kommunikation lange sehr speziell und kompliziert war bzw. immer noch ist. Für Red Lion ist sie aber das tägliche Brot.

Die Komplexität der Kommunikation könnte sich für den Anwender ja in Zukunft deutlich reduzieren, z.B. mit Ansätzen wie OPC UA.

Granby: Schon hinter OPC steckte eine großartige Idee, die in der Praxis aber nicht entsprechend umgesetzt wurde. Hier sind meine Hoffnungen in OPC UA größer. Schließlich wird sich die Komplexität der Kommunikation nicht so einfach lösen lassen, denn sie betrifft eine enorme Anzahl von bereits installierten Geräten im Feld. Zudem bin ich der Meinung, dass wir nie eine Welt erleben werden, in der alle Geräte die gleiche Sprache sprechen. Irgendwelche Anbieter werden immer ihr eigenes Ding machen. Für die Lösung dieser Herausforderung ist OPC UA aus meiner Sicht gut geeignet, aber auch nur ein Aspekt – viele andere Punkte werden ebenfalls zu meistern sein.

Wie sehen die nächsten Schritte von Red Lion in Richtung smarter Fabrik bzw. Industrie 4.0 aus?

Granby: Wir investieren aktuell sowohl in Vertrieb und Support, als auch in weitere Entwickler. Die europäische Industrie generell – und speziell Deutschland – ist ein spannender Markt, in dem wir weiter wachsen wollen. Wege dahin sehen wir z.B. im Ausbau der Graphite-Kommunikationsmodule oder in unserer Produktivitätslösung PTV, mit der sich all die verschiedenen Informationen im Shop Floor zuordnen und darstellen lassen. Natürlich birgt die Erfassung von Produktionsdaten und deren Auswertung auf höherer Ebene ein großes Potenzial. Aber auch durch eine moderne Visualisierung der Informationen im Feld direkt an der Maschine lässt sich die Produktivität steigern. Abseits aller Big-Data-Algorithmen braucht auch der Werker unmittelbar an der Maschine einen guten Überblick. Darüber hinaus werden wir dem Anspruch des Marktes folgend bald ein paar spannende Ethernet-Produkte mit PoE+ vorstellen. So auch Videolösungen für die Produktion, denn diese werden von unseren Kunden immer stärker nachgefragt.

Was halten Sie also von Cloud-Ansätzen für die Industrie?

Granby: Ich sehe hier durchaus Nutzwert, z.B. um aus niedriger Bandbreite eine hohe Bandbreite zu machen. In vielen dezentralen Applikationen, von der Öl- und Gasindustrie bis zur Wasser- oder Energiewirtschaft, lassen sich viele einzelne Datenpunkte über eine Cloud in komplexe Informationsgebilde transformieren.

Und wie bewerten Sie den Sicherheitsaspekt bei immer stärker vernetztem Produktionsequipment?

Granby: Wirksame Security-Lösungen sind ein sehr bedeutendes Element moderner Produktionsstrukturen. Auf jeder Messe wird heute eine Vielzahl von Demonstrationsanlagen für die smarte Fabrik gezeigt. Sich z.B. mit einem Mobile Device durch die Produktion zu bewegen und vor Ort auf jede Steuerung zugreifen zu können, mag hier durchaus beeindruckend sein – ist in Bezug auf die Sicherheit in der Praxis aber schwer abzubilden. Wenn man neue Kommunikationskanäle in der Fertigung aufmacht, sollte man den Nutzen immer gegen das Risiko abwägen. Statt alle Informationen überall verfügbar zu machen, sollten Anwender also darauf setzen, die richtigen Daten auf sicherem Weg an die richtigen Personen zu senden. Beispielsweise unsere RAM-Produkte bieten dafür heute bereits einsetzbare Gateway- und Router-Lösungen.

Herr Granby, besten Dank für das Gespräch.


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