Interview mit Martin Podrouschek von Beckhoff

Interview mit Martin Podrouschek von Beckhoff

Neue Leistungsklasse für die
Automatisierungsmesstechnik

Beckhoff hat zur SPS IPC Drives eine Reihe neuer Messtechnikklemmen für Ethercat vorgestellt – die ELM-Serie. Die Module eignen sich für hochpräzise Messtechnik im Automatisierungsumfeld, also für Aufgaben bei denen bisher aufgrund der Anforderungen Systembrüche nicht zu vermeiden waren. Wir sprachen mit Martin Podrouschek, Produktmanager Feldbussysteme bei Beckhoff, über die neuen Module und die Vorteile, die sie für den modernen Maschinen- und Anlagenbau bringen.
Meine erste Frage zielt auf die strategische Ausrichtung. Warum will Beckhoff seine Messtechnik-Skills weiter ausbauen?

Martin Podrouschek: Wir bieten als Beckhoff seit vielen Jahren mit XFC, also eXtreme Fast Control, eine Technologie für besonders schnelle Automatisierungsanwendungen, beispielsweise für Produktionsmaschinen, Verpackungsanlagen, Maschinen für die Holz- oder Metallbearbeitung usw. In diesen Segmenten sind wir besonders stark und haben einen entsprechend großen Kundenkreis. Diese Maschinen – das wissen wir aus den Gesprächen mit unseren Kunden – müssen immer schneller laufen, immer präziser arbeiten, bei immer weniger Stillstandszeiten und immer weniger Ausschuss. Gleichzeitig müssen immer mehr Daten mitgeschrieben werden, beispielsweise für die Qualitätssicherung oder für Fragen der Produkthaftung. Auch nach zehn Jahren will der Abnehmer noch wissen, wo welcher Bolzen mit welchem Durchmesser gefertigt wurde. Kein Wunder also, dass an modernen Maschinen immer mehr Messtechnik zum Einsatz kommt. Wir sehen dort einen erheblichen Bedarf an hochpräziser Messtechnik für Maschinen- und Anlagenbauer, der in Zukunft noch zunehmen wird.

Wie Sie bereits erwähnt haben, existiert XFC ja bereits. Und Messtechnikklemmen gibt es bei Beckhoff auch schon seit geraumer Zeit. Was können die ELM-Klemmen, was die bisherigen Ethercat-Klemmen nicht können?

Podrouschek: Unsere neuen Messtechnik-Module sind insbesondere für Präzisions- und Hochgeschwindigkeitstechnik ausgelegt. Zunächst einmal geht es ja immer um die Aufnahme von analogen Werten, egal, ob es sich bei dem gemessenen Wert um Energie, Schwingung oder Spannung handelt. Unsere Kunden sehen die Herausforderung darin, schneller und genauer messen zu müssen. Solche Präzisionsgeräte bringen wir daher zunächst einmal für die Standardbereiche heraus, das heißt für ±20mA, 30V bis 20mV, aber auch Voll-, Viertel-, Halbbrücke und Schwingungsmesstechnik sowie IEPE. Weitere Produkte werden folgen, beispielsweise in der Leistungsmessung, Stichwort 230V, mehrere Ampere. Eine wesentliche Weiterentwicklung der messtechnischen Fähigkeiten im Vergleich zu unseren bisherigen EL-Klemmen und IP67-Boxen fand im Inneren der Geräte statt: Einfache Bedienbarkeit wurde gepaart mit umfangreichen Berechnungs- und Filterfunktionen auf einer leistungsstarken Plattform – und das alles über die bekannte standardisierte Bedienung über Ethercat.

Sie haben die ELM-Module bereits auf der SPS IPC Drives vorgestellt. Wie man sehen konnte sind die Geräte auch mechanisch anders aufgebaut. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Podrouschek: Wenn man sich in diesen Bereich der Präzisionsmesstechnik hinein begibt, stößt man mit einem Kunststoffgehäuse, wie es bei unseren Standardklemmen verwendet wird, irgendwann zwangsläufig an physikalische Grenzen. Mit einem Kunststoffgehäuse kommt man in Bezug auf Präzision und Datenrate schon sehr weit, das haben wir nun die letzten Jahre mit unseren EL3xxx-Messklemmen an Ethercat gezeigt. Aber das Stichwort Wärme ist ein großes Thema in der Messtechnik, Temperatur ist der größte Feind eines jeden Messtechnikers. Das neue metallische, hutschienen-kompatible Gehäuse ist hier die ideale Verpackung für unsere Hochleistungsmesstechnik, um insbesondere die Wärmeableitung und eine homogene Wärmeverteilung im Messtechnikmodul zu realisieren. Zudem ist es kombinierbar mit unseren bisherigen Klemmen, sodass sich die Präzisionsmesstechnik nahtlos in die Standardsteuerungstechnik integrieren lässt.

Welche Rolle spielt die Kalibrierung? Werden diese Geräte mit einem entsprechenden Zertifikat ausgeliefert?

Podrouschek: Das ist ein wichtiger Punkt. Die große Kunst besteht darin, solche messtechnischen Module in großer Stückzahl in der Produktion kalibrieren zu können. Das ist neben den technischen und konstruktiven Merkmalen der Hochleistungsmessmodule ein Hauptentwicklungsschwerpunkt von Beckhoff. Und deshalb ist die neue ELM-Serie von Anfang an darauf ausgelegt, dass alle Module optional mit einem Beckhoff-Werkskalibrierzertifikat ausgeliefert werden können.

Welche Anschlussvarianten werden Sie für die neuen ELM-Module nun anbieten?

Podrouschek: Wir haben diese Module mit drei Steckgesichtern vorgestellt. Das ist einerseits der Push-In-Wartungsstecker, der bei geschätzt 90 Prozent unserer Kunden zum Einsatz kommen wird, auch wenn man hier messtechnisch ein wenig Abstriche machen muss. Zudem haben wir für die Schwingungsmesstechnik BNC-Anschlüsse vorgesehen – das ist in diesem Bereich weit verbreitet. Und wir haben das erste Modul mit Lemo-Stecker im Programm, weil das ein anerkannt hochwertiger Steckverbinder ist – zwar mit einem höheren Aufwand für die Feldkonfektionierung, dafür aber auch mit vielen zulässigen Steckzyklen bei niedrigem Übergangswiderstand.

Welche Software kommt für die Programmierung der Anwendung zum Einsatz?

Podrouschek: Unser zentrales Werkzeug für die Konfiguration, Parametrierung und Programmierung ist Twincat. Unsere Anwender aus dem Bereich Maschinen- oder Anlagenbau werden damit auch die Hochleistungsmesstechnik programmieren. Wenn man sich spezialisierte Anwendungen anschaut, beispielsweise aus dem Prüfstands- oder Laborbereich, dann liegt hier die Anforderung beispielsweise darin, innerhalb von wenigen Minuten per Drag&Drop Testabläufe zu konfigurieren. Dafür ist Twincat nur bedingt geeignet. Da unsere Hochleistungsklemmen mit Ethercat jedoch einen Kommunikationsstandard integrieren, für den die speziellen Branchen-Tools oft schon eine Masterimplementation integriert haben, können auch solche Anwender direkt die Vorteile des gesamten Beckhoff-Ethercat-Portfolios nutzen – nicht nur der präzisen ELM-Module, sondern auch der einfacheren Analog- und Digitalklemmen bis hin zur Antriebstechnik.

Ist EtherCAT denn für die Anforderungen in der Hochleistungsmesstechnik schnell genug?

Podrouschek: In Forschungsapplikationen oder im Prüffeldbereich muss man manchmal mit Datenraten im hohen Gbit-Bereich arbeiten. Dafür ist Ethercat nicht gedacht. Das sind aber auch Randfelder, für die es die entsprechenden Geräte gibt. Aber für den industriellen Messtechnikbereich – und das ist unser Fokus – kommt man mit Ethercat 100Mbit sehr gut zurecht. Ich kenne nur wenige industrielle Anwendungen, bei denen Ethercat an seine Grenzen kommt. Im Bedarfsfall muss man mehrere Ethercat-Stränge parallel fahren – dazu bietet Beckhoff entsprechende Infrastrukturkomponenten. Das sind dann aber extreme Einzelfälle. Mit Ethercat 100Mbit kann man – bei 24Bit-Auflösung und einer Datenrate von 10.000 Samples pro Sekunde – theoretisch 416 Analogkanäle anbinden. In der Praxis sind bei dieser Abtastrate über 300 Analogkanäle mit 24Bit-Auflösung und Status-Daten ohne Probleme über einen einzelnen Ethercat-Strang machbar. So eine Anlage muss ich erst einmal bauen. Also kann man selbst in Bereichen von 100.000 und vielleicht auch 250.000 Samples pro Sekunde, die wir im Bereich der Automatisierungsmesstechnik noch für sinnvoll erachten, noch zig Messkanäle betreiben. Ein zentraler Vorteil dabei ist die Tatsache, dass keine Systembrüche mehr notwendig sind, denn die Hochleistungsmesstechnik ist jetzt Bestandteil der Automatisierungslösung. Und das zu überraschend niedrigen Preisen. Ich bin mir sicher, dass wir damit die Maschinen- und Anlagenbauer wieder ein ganzes Stück nach vorne bringen. n Leistungsdaten der neuen Messtechnikmodule

Das Produktspektrum des Beckhoff-Messtechnikportfolios reicht nun von der einfachen analogen 12-Bit-Klemme bis zum hochpräzisen 24-Bit-Condition-Monitoring-Modul mit einer Abtastrate von 50kSamples/s. Die neuen Geräte sind für den vielseitigen Einsatz sowohl in der Industrie als auch im Prüffeld ausgelegt. Es stehen zum einen Multifunktionskanäle mit zahlreichen integrierten Messbereichen (30V bis 20mV, ±20mA, Voll-/Halb-/Viertelbrücke DMS, IEPE, Thermoelement, RTD) und zum anderen preisoptimierte Auskopplungen davon zur Verfügung – in unterschiedlichen Kanalzahlen. Hauptkennzeichen der Ethercat-Messtechnikmodule ist die extrem hohe Qualität der erfassten Datenwerte, erreicht durch unterschiedlichste Maßnahmen:

Hochwertige Bauteile der neuesten Generation sorgen für eine besonders rauscharme und dynamische Messung. So kann die hohe 24-Bit-Auflösung, also die theoretisch 256-mal feinere Messwertauflösung als bei den üblichen 16 Bit, voll ausgenutzt werden. Zusätzlich verfügt Ethercat mit seiner 100MBit-Datenrate über genug Raum, um auch hunderte solcher 24-Bit-Kanäle bei 10kSamples/s zu transportieren. Durch die besondere Vorbehandlung in der Beckhoff-Produktion kann die Messtechnikhardware direkt und langzeitstabil eingesetzt werden. Umgesetzt wurde ein langzeitsicheres Schirmungskonzept für analoge Leitungen, das robust gegen Störungen und auch unter Schwingungsbelastung wirksam ist. Die geringe Messunsicherheit ergibt sich durch einen hochwertigen Abgleich in Serie und genau erfasste Abhängigkeiten der Einflüsse: Beckhoff weist die einzelnen Fehleranteile wie Wiederholfehler, Nicht-Linearität, Offset-/Gain-Fehler und Rauschen einzeln in der Spezifikation aus.


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