Simulationssoftware im Sondermaschinenbau

Vom Proof of Concept zum weltweiten Roll-out

Die Entscheidung, etwas grundlegend zu ändern, fiel nach einem schwierigen Projekt, welches nach mehrfachen Umbauten weder für den Kunden noch für Ruhlamat zufriedenstellend gelaufen ist. „Wir suchten nach der für uns passenden Lösung, um solche Situationen in Zukunft möglichst zu vermeiden“, erinnert sich Stephan Ihling, Senior Lead Software Engineer. Im ersten Schritt wurde das aufkommende Thema Digitaler Zwilling näher beleuchtet. Daraus entstand ein Lastenheft mit Anforderungen der verschiedenen involvierten Abteilungen. Auf dieser Basis wurden verschiedene Anbieter verglichen, so dass drei potenzielle Simulations-Tools übrigblieben, die näher unter die Lupe genommen wurden.

Eines davon war iPhysics. „Im Rahmen des Simulation Days 2019 lernten wir die Software und deren Anbieter Machineering kennen“, erzählt Ihling. Daraus resultierte dann ein Proof-of-Concept-Workshop inklusive der Simulation und Anbindung einer Station aus einem laufenden Projekt. „Kurz darauf wurde die Entscheidung zum Kauf einer ersten Lizenz für den Hauptstandort getroffen.“ Für die internationalen Standorte wurde nochmals ein Vergleich der auf dem Markt angebotenen Produkte durchgeführt. Anschließend beschloss Ruhlamat die breite Nutzung von iPhysics für die gesamte Firmengruppe.

Die Implementierung

„Durch den Workshop bei uns im Haus konnte der erste Mitarbeiter die Software schnell selbstständig nutzen“, fährt Ihling fort. So wurden erste Simulationen in den nächsten Monaten erstellt. „Im Laufe des kommenden Jahres haben wir im zweiten Schritt auch Anbindungen an unsere Steuerungsumgebungen realisiert und die Software nach und nach im Unternehmen ausgerollt.“ Rückfragen wurden über die Support-Hotline von Machineering unkompliziert beantwortet. Auch Anpassungen an der Software wurden zügig vom Anbieter umgesetzt. „Die größere Herausforderung war es jedoch, intern Überzeugungsarbeit zu leisten“, beteuert Ihling. „Wir mussten immer wieder die Vorteile der virtuellen Inbetriebnahme für die eigenen Prozesse betonen.“

Ziel erreicht

Durch den Einsatz von iPhysics konnten die gesetzten Ziele erreicht werden. „Durch die Simulation werden wir schneller, senken Kosten, identifizieren technische Risiken und sorgen intern für eine bessere Verzahnung der Bereiche“, zählt Ihling die Vorteile auf. „Zudem sind wir in der Lage, flexibel auf Anforderungsänderungen unserer Kunden zu reagieren. Wir bieten unseren Kunden an, frühzeitig in der Entwicklung das Produktionssystem zu co-engineeren und so die Time-to-Market ihres Produkts zu verkürzen.“ iPhysics spielt dabei die zentrale Rolle, um das 3D-Modell aus der Konstruktion zu einem vollwertigen funktionalen Modell des Systems und letztlich zu einem digitalen Zwilling zu entwickeln.

Dank abteilungsübergreifender Zusammenarbeit findet ein regelmäßiger Austausch bezüglich der verschiedenen Einsatzfelder und Projekte mit der Simulationssoftware statt. Durch das Floating-Licence-Konzept wird iPhysics über mehrere Standorte eingesetzt. So können die Lizenzen sehr effektiv genutzt. Gleichzeitig werden firmenübergreifend einheitliche Standards sichergestellt.

Heute wird die Software beim Sondermaschinenbauer in Projekten mit einem großen Anteil an Neuentwicklung eingesetzt – besonders bei sehr komplexen Maschinen, um Risiken früh und weitmöglichst zu reduzieren. „Durch die positiven Erfahrungen im Pilotprojekt ist die virtuelle Inbetriebnahme Teil unseres Entwicklungsprozesses geworden und dort als fester Bestandteil definiert“, sagt Ihling.

Der Softwareingenieur erinnert sich an ein besonderes Projekt: „Im Rahmen der Neuentwicklung einer Maschinengeneration wurde iPhysics über den kompletten Entwicklungszyklus eingesetzt. Dadurch konnten in der Konzeptphase verschiedene Transferkonzepte visualisiert werden – teilweise ohne Verwendung von CAD-Daten. Das führte zu einem guten Verständnis im gesamten Projektteam und konstruktiven Diskussionen.“ So wurde das Konzept nach und nach verfeinert, bis eine Lösung gefunden war, die sich alle Beteiligten an der realen Maschine vorstellen konnten. Dem modularen mechanischen Konzept der Maschine folgend, wurden zunächst einzelne Module kinematisiert und in Verbindung mit der ebenfalls modular aufgebauten Software virtuell in Betrieb genommen werden. Anschließend konnte die erste Prototypmaschine, bestehend aus vielen Einzelmodulen ohne großen Aufwand komplett simuliert und virtuell in Betrieb genommen werden, weil die Simulationseigenschaften mit den CAD-Daten verknüpft sind. Somit war die Software zum Start der Inbetriebnahme schon vollständig getestet.

Laut Ruhlamat konnte in allen Projekten, in denen die Simulation eingesetzt wurde, die mechanische Konstruktion frühzeitig verbessert werden. Das reichte von Kleinigkeiten wie der Positionierung von Sensoren, bis hin zu Korrekturen an Schweißgestellen, was nach dem Aufbau der Anlage ein immenser Aufwand gewesen wäre. Der Maschinenbauer will iPhysics zukünftig auch für den Angebotsprozess einsetzen, um den Kunden die Anlage schon vorab virtuell vorstellen zu können. Zudem soll die Software auch für Schulungen und im Servicebereich eingesetzt werden. „Ziel ist es, iPhysics irgendwann über den gesamten Lebenszyklus zu nutzen – vom Angebot über das Engineering bis zum Service“, so Ihling. „Der frühe Softwaretest und das Feedback an die mechanische Konstruktion vor dem eigentlichen Aufbau der Maschine bieten große Vorteile. Durch die Kopplung von CAD und Simulation entsteht nach und nach ein Baukasten, welcher die Erstellung von digitalen Zwillingen beschleunigt und einfacher macht.“


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