Teil 10 der Serie ‚Autonome Systeme‘ – Werte und Ethik

„Wir müssen den Maschinen Meta-Regeln mitgeben“

Bettenhausen: Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den humanoiden Robotern, an die Asimov und seine Kollegen vor 75 Jahren dachten, und heutigen Maschinen, die mit starker KI ausgestattet werden (können), ist, dass die damaligen Maschinen nicht vernetzt waren – weder untereinander, noch über das Internet. Sie konnten so weder eine Schwarmintelligenz entwickeln, noch von den riesigen Datenmengen profitieren, über die wir heute verfügen – und die stündlich mehr werden. Zudem operieren heutige Smarte Maschinen bei vielen ihrer Entscheidungen auf Basis von Daten, die sie erhalten und damit auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten. Sie können dazu lernen und müssen diese Erfahrung weder selbst gemacht haben, noch muss die Erfahrung zwingend von einer anderen Maschine real erlebt worden sein, sondern kann als Simulation vorgegeben werden. Hierüber können wir beispielsweise steuernd eingreifen und das Lernen, auch zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem die Maschinen sich bereits im Betrieb befinden, in eine bestimmte Richtung lenken – übrigens positiv wie negativ, wenn die zugehörigen Menschen nicht ethischen Grundsätzen folgen. Es ist also komplexer geworden und eine einfache Regel wie die ‚Du sollst nicht töten‘ reicht schon lange nicht mehr aus. Was geschieht beispielsweise, wenn die Maschine, indem sie wenige Menschen opfert, viele Menschen retten kann? Nicht umsonst haben im April EU-Experten ethische Richtlinien für künstliche Intelligenz vorgelegt. Herausgekommen sind sieben Regeln, die es jetzt in der Praxis zu testen gilt. Das erste Asimov’sche Gesetz („Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“) fehlt hier leider. Auch finden sich unter den Regeln viele Konjunktive. Hier behaupte ich, dass sie Menschen wie Maschinen genauso als Konjunktiv, als eine Möglichkeit, verstehen werden.

Die zweite ethische Anforderung beschäftigt sich mit Vertrauen in KI-basierte Systeme, die dritte mit Datenkontrolle – über Ethik von Maschinen steht hier nichts. Wie schaffen wir tatsächlich Vertrauen in autonome Systeme?

Bettenhausen: Vertrauen baut sich dann auf, wenn Interaktion stattfindet – wiederholt und berechenbar bzw. vorhersagbar. Zugegeben – mit einem Parkautomaten interagieren Sie auch, aber da dieser nicht lernen und vor allem nicht individuell reagieren kann, werden Sie auch kein Vertrauen aufbauen können. Eine weitere Grundvoraussetzung ist also eine Reaktion und die Möglichkeit der Adaption der Maschine an den Menschen. Idealerweise passt sich die Maschine durch die Möglichkeiten von KI individuell an ihr Gegenüber an. Das entspricht am ehesten dem sozialen Wesen Mensch. Denken Sie nur an Ihr Smartphone: Wenn Ihnen das wegen eines bevorstehenden Termins vorschlägt, früher als geplant loszufahren, weil ein Stau auf der Strecke für massive Verzögerungen sorgt, so werden Sie dieser Empfehlung möglicherweise schon heute folgen. Ähnliches gilt z.B. auch für Streckenvorschläge für Wanderungen am Wochenende, weil Ihr Smartphone, oder eine von Ihnen angelegte App, weiß, dass Sie gerne Natur fotografieren. Auch hier haben Sie wahrscheinlich ein größeres Vertrauen. Der Grund: Sie haben diese Maschine – in diesem Fall das Smartphone – selbst gemäß Ihren Bedürfnissen individualisiert. Mit der heutigen KI ist es möglich, dass Maschinen sich sehr schnell an ihr Gegenüber anpassen. Das wird das Vertrauen stärken. Und dann brauchen wir ethische Grundlagen für die Maschinen als übergeordnete Regeln und zusätzlich moderne ethische Grundsätze für deren Entwickler und Programmierer.

Genau deshalb überarbeitet der VDI die ethischen Grundlagen für Ingenieure.

Bettenhausen: Lassen Sie uns mit dieser weiteren Grundlage für Ingenieure optimistisch in eine Zukunft schauen, in der Roboter weit mehr leisten als die DDD-Jobs (Dull, Dirty and Dangerous), sondern uns sinnvoll im privaten wie beruflichen Alltag unterstützen.

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