Haptische Sensoren in industriellen Anwendungen

Maschinelles Fingerspitzengefühl

 Die miniaturisierten HEX-Mehrachssensoren ermöglichen eine sehr präzise Messung von Kräften und Drehmomenten in beengten Räumen.
Die miniaturisierten HEX-Mehrachssensoren ermöglichen eine sehr präzise Messung von Kräften und Drehmomenten in beengten Räumen.Bild:

Der Tastsinn ist einer der fünf klassischen Sinne des Menschen. Mit ihm nehmen wir taktile Reize unserer Umgebung wahr. Ist der Tastsinn ausgeschaltet, z.B. durch eine lokale Anästhesie, wird alltägliches oftmals schwierig – denken wir nur an das Halten von Besteck, das Binden von Schnürsenkeln oder das Anfassen zerbrechlicher Gegenstände. So entscheidend der menschliche Tastsinn auch ist, so wenig wird er bisher in Maschinen umgesetzt. Zusätzlich zum visuellen Sinneskanal kann haptisches Feedback den Chirurgen bei bildschirmgeführten Operationen unterstützen. Es kann Robotern helfen, Objekte unterschiedlicher Größe, Form, Ausrichtung oder Beschaffenheit sicher zu greifen. In der Mensch-Roboter-Kollaboration bietet ein messbares, haptisches Feedback elektromechanischer Finger und Manipulatoren sowie von industriellen Greifsystemen ein großes Potenzial für neue Lösungen, aber auch für mehr Sicherheit in der Interaktion von Werker und Maschine. In kommerziellen Anwendungen ist dies heute noch nicht zufriedenstellend gelöst. Wittenstein hat deshalb die Kraft-Drehmomentsensoren der Baureihe HEX entwickelt.

 Das Modell HEX12 ist laut Wittenstein der kleinste, sechsachsige Kraft/Drehmoment-Sensor der Welt.
Das Modell HEX12 ist laut Wittenstein der kleinste, sechsachsige Kraft/Drehmoment-Sensor der Welt.Bild: Wittenstein SE

Kräfte und Drehmomente präzise erfassen

Die sechsachsigen Kraft/Drehmoment-Aufnehmer HEX12 und HEX21 messen in den drei translatorischen und rotatorischen Raumrichtungen. Dabei liegt ihnen ein resistives Messprinzip mittels Dehnungsmessstreifen zugrunde. Die mit einer Messfrequenz von einem Kilohertz aufgenommenen analogen Spannungssignale werden über einen Flexleiter an die Elektronikeinheit transportiert und dort mithilfe der Kalibriermatrix in Kräfte und Drehmomente umgerechnet. Die Messauflösung liegt bei weniger als einem Gramm – ein auf einer Roboterhand landender Nachtfalter würde also zuverlässig detektiert werden. Die Sensordaten können mit Hilfe des F/T Explorers als Desktop-Applikation in Echtzeit visualisiert, aufgezeichnet und als Messwerte in eine Steuerung oder eine Anwendung exportiert werden. Aufnehmer und Elektronik sind als Plug&Measure Sensor Kit verfügbar – wodurch eine schnelle Inbetriebnahme gewährleistet ist.

Für die passende Integration ist nicht allein die besonders kompakte Baugröße ausschlaggebend, sondern auch die Möglichkeit, Kabel oder mechanische Elemente durch die Hohlwelle der Kraft/Drehmoment-Aufnehmer zu führen. Hinzu kommt, dass Wittenstein die HEX-Sensoren mit kundenindividuellen Lochbildern fertigen und auch verschiedene Kabeloptionen anbieten kann.

Miniaturisierung durch disruptives Fertigungskonzept

Die Einsatzgebiete, für die die neuen Sensoren entwickelt wurden, erfordern in Sachen Maschinenintegration ein Höchstmaß an Miniaturisierung. Das bedeutet in der Regel eine filigrane Fertigung mit diffizilen Prozessen und besonderen Kosten, die sich nicht ohne weiteres skalieren und automatisieren lässt. Gleichzeitig darf die Wirtschaftlichkeit der Sensorlösung nicht außer Acht gelassen werden – ihr Preis muss in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zum Endprodukt, z.B. einer Roboterhand oder einem Backengreifer, stehen. Wittenstein hat daher für die HEX-Sensoren ein disruptives und patentiertes Fertigungskonzept umgesetzt. Hierbei werden die 4mm² großen Dehnungsmessstreifen planar auf einen mehrteiligen Grundkörper aus Titan aufgeklebt und mittels Flexleiter kontaktiert. Der Grundkörper wird dann zu einer Hexapodstruktur aufgerollt. Dadurch ist es möglich, Außendurchmesser zwischen 6 und 30mm bei gleichzeitiger Hohlwelle zu erreichen – und mit dem Modell HEX12 und seinen nur 12,5mm Außendurchmesser den laut eigenen Angaben kleinsten, sechsachsigen Kraft/Drehmoment-Sensor der Welt herzustellen. Gleichzeitig bietet dieses Verfahren die Möglichkeit, größere Stückzahlen und auch andere Baugrößen effizient und wirtschaftlich zu fertigen.

Herausfordernde Anwendungen

Den Kraft/Drehmoment-Sensoren der neuen Baureihe eröffnen sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Hierzu gehören im Bereich der Forschung etwa Operationsroboter, interaktive Telemanipulationssysteme, Prothesen und Orthesen, künstliche Hände und Exoskelette sowie haptische Eingabegeräte. Darüber hinaus bieten die industrielle Robotik und Automatisierung, kollaborative Roboter sowie Handhabungssysteme zahlreiche Anwendungsfelder, z.B. bei amspruchsvollen Bin-Picking- oder Peg-in-Hole-Greifaufgaben. Ebenfalls sicherheits- und leistungssteigernd sind die neuartigen Sensoren bei kraftgeregelten Mikromontageprozessen in der Elektronik-, Halbleiter- und Uhrenindustrie.

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