„Wir haben früh angefangen“

„Wir haben früh angefangen“

Einen Vorsprung im Leben hat, wer da anpackt, wo die anderen erst einmal reden. Etwas überspitzt lässt sich dieses Zitat, das John F. Kennedy zugeschrieben wird, auf die e-F@ctory-Alliance und deren Historie anwenden. Doch ist dem hinsichtlich der Praxistauglichkeit wirklich so? In wie weit kann das Konzept den aktuellen Bestrebungen von Industrie 4.0 Rechnung tragen? Wie flexibel, skalierbar und kompatibel ist es? Das SPS-MAGAZIN hat Thomas Lantermann, Senior Business Development Manager bei Mitsubishi Electric, gefragt.
Die e-F@ctory-Idee wurde bereits 2003 geboren. Darf man daraus schließen, dass Industrie 4.0 und das Internet der Dinge aus Sicht von Mitsubishi Electric ein alter Hut sind, Herr Lantermann?

Thomas Lantermann: Nein, man darf hier nicht überheblich sein. Die Diskussion um die smarte Fabrik ist aber auch bei Mitsubishi Electric hochaktuell. Aber Mitsubishi arbeitet in der Tat mit e-F@ctory seit 2003 an entsprechenden Ansätzen, um die Produktion effizienter und flexibler zu machen. In unserem Stammwerk in Nagoya haben wir diese Konzepte bereits 2008 umgesetzt und dabei z.B. den Shop Floor an die Unternehmensebene angebunden, um Produktionsdaten austauschen und auswerten zu können. Mit dem Ansatz der kleinen Schritte aus der Kaizen-Philosophie haben wir die Servo-Factory, das modernste Gebäude des Stammwerks, ganzheitlich umstrukturiert. Auf diese Weise konnten wir die Abläufe und Prozesse der Produktion anpassen und verbessern, Flaschenhälse aufdecken und auch energetische Maßnahmen ergreifen. Ein weiterer wichtiger Punkt waren Kontrollmechanismen und eine entsprechende Qualitätssicherung für die moderne Nullfehlerproduktion. Wir haben den e-F@ctory-Ansatz aber nicht nur auf unsere Produktionstechnik angewandt, sondern auch auf die neuen Produkte unseres Automatisierungsportfolios.

Wie steht es um die Wahrnehmung auf Anwenderseite?

Lantermann: All die verschiedenen Ansätzen, ganz egal ob Plattform Industrie 4.0, Industrial Internet Consortium, die japanische Initiative Robot Revolution, Catapult aus UK, Say oui to France oder Made in China 2025, schaffen mehr Bewusstsein dafür, dass wir an den Fertigungsprozessen, deren Leistung, Effizienz und Flexibilität, arbeiten müssen. Nur so bleiben Unternehmen auch in Zukunft wettbewerbsfähig. Ein ganz wesentlicher Punkt für den Anwender ist dabei die Sicherheit. M2M- und Cloud-Lösungen stehen und fallen mit der Datensicherheit und dem Schutz vor Cyber-Angriffen. Entsprechend sind auch die Bemühungen auf der IT-Seite gewachsen. Ich möchte dazu anmerken, dass sich unsere heutigen Produktionsumgebungen und -netze schon relativ gut absichern lassen. Zumindest wenn man bei der Security auf die gängigen Best-in-Class-Lösungen setzt. Aber weil die Sicherheit ein kontinuierlicher Prozess ist, muss in den Unternehmen eine ständige Risikoabwägung stattfinden. Schließlich ändern sich die Zeiten schnell: Was heute sicher ist, ist morgen nur noch bedingt sicher und übermorgen nicht mehr zu gebrauchen. Industrie 4.0 und die Pendants haben an dieser Stelle großes Potenzial, um auf Anwenderseite die Wahrnehmung zu steigern.

Die verschiedenen Initiativen reiben sich ja momentan noch etwas und wissen noch nicht so recht, ob sie in dieselbe Richtung wollen. Hat hier aus japanischer Sicht einer die Nase vorn?

Lantermann: Es gibt sicherlich Aspekte, die beim einen oder anderen besser sind. Die Plattform Industrie 4.0 ist dabei, sich systematisch aufzustellen, Standards zu definieren und eine einheitliche Architektur – das Rami-Modell – zu entwickeln. Die Amerikaner rennen in puncto ICC eher los und wollen tolle Ideen gleich in die Tat umsetzen. Zu behaupten, sie hätten deshalb kein Konzept – so wie es aus deutscher Ingenieurssicht auf den ersten Blick vielleicht scheinen mag – ist aber falsch.

Mittlerweile gibt es ja Annäherungsversuche der beiden Initiativen. Sollten sich aber dennoch verschiedene Zukunftskonzepte etablieren, könnte e-F@ctory dann ein gemeinsamer Mantel sein?

Lantermann: Die beiden Welten von Industrie 4.0 und IIC können wir mit e-F@ctory gut abdecken. Denn wir setzen auf eine Vielzahl offener Schnittstellen – innerhalb der Automatisierung und beim Engineering genauso wie zu Enterprise-Systemen. In diesem Rahmen bieten wir mit CC-Link IE zudem den schnellsten ethernetbasierten Feldbus und mit SLMP ein eigenes Protokoll, das nahtlos in OPC UA übergeht. Damit ist unser Konzept horizontal und vertikal problemlos einzubinden in das, was die Zukunft bringt.

Aus Ihrer Sicht ist es also unerheblich, welcher Ansatz auf dem Weg zur Fabrik der Zukunft das Rennen macht?

Lantermann: Richtig. Die Plattform Industrie 4.0 und das IIC sollten und werden Brücken bauen und stärker zusammenarbeiten. Keine Seite kann es sich erlauben, irgendwelche Wände aufzubauen. Die jeweiligen Initiativen betonen zwar Alleinstellungsmerkmale, sind aber eigentlich sehr ähnlich. Dennoch gehen sie die Aufgaben nicht deckungsgleich an: Die Amerikaner beschäftigen sich stark mit der Cloud und großen verteilten Systemen. Industrie 4.0 konzentriert sich mehr auf die Produktion und die Fabrik. Man sollte hier Synergien nutzen.

Die e-F@ctory-Alliance umfasst mittlerweile mehr als 3.000 Partner. Gehen Sie in diesem Rahmen alle Aspekte von Industrie 4.0 oder dem IIoT an, oder lassen Sie bestimmte Punkte bewusst außen vor?

Lantermann: Nein, wir lassen keinen Aspekt pauschal beiseite und entsprechend beschäftigt sich die e-F@ctory mit allen Themen wie M2M, Cloud oder Security. Wir bieten dafür offene Schnittstellen und können gemeinsam mit den Systemintegratoren und den OEMs aus der Partnerallianz eine individuell passende Lösung realisieren.

Sehen Sie hier dadurch in Hinsicht auf die smarte Fabrik einen Vorsprung auf der eigenen Seite?

Lantermann: Mitsubishi hat an dieser Stelle sehr früh angefangen, früh darüber geredet, Partner gesucht und kann deshalb heute bereits praxistaugliche Lösungen anbieten. Die e-F@ctory wurde kontinuierlich ausgebaut und basiert auf vielen kleinen Verbesserungsmaßnahmen – mit in Summe großer Wirkung. Weil die betreffenden Ideen auch alle bereits umgesetzt wurden, reden wir hier nicht von Dingen, die nur reine Theorie und noch nicht ausprobiert sind.

Spielt die Herkunft von Mitsubishi Electric dabei eine besondere Rolle?

Lantermann: Der japanische Ansatz folgt eher einem gemeinsamen Konsens, die unterschiedlichen Eventualitäten abzudecken, aber auch alle Seiten einzubinden. So erschließt man Schritt für Schritt Verbesserungspotenzial und genau das passiert bei der e-F@ctory. Davon profitieren wir auch in unseren eigenen Fabriken in denen wir trotz hohem Automatisierungsgrad und Robotereinsatz flexibel produzieren und reagieren können.

Bitte wagen Sie abschließend einen Ausblick, Herr Lantermann. Wie wird es mit Industrie 4.0 weitergehen?

Lantermann: Ich sehe die Initiative Industrie 4.0 auf einem guten Weg. Aber viele Leute können das Rami-Modell noch nicht so richtig deuten und gehen etwas verkrampft damit um. Rami ist eben deutsche Gründlichkeit. Jetzt muss man aus meiner Sicht die Sache etwas pragmatischer angehen, so wie wir auch in europäischen Applikationen die Zukunfts- und Praxistauglichkeit von e-F@ctory bereits aufgezeigt haben. Aber nochmal: Wir wollen nicht überheblich wirken, das ist nicht unsere Intention. Die Ideen und Vorhaben der Industrie-4.0-Initiative sind gut und sinnvoll und es steckt eine Menge Musik für die Zukunft der Automatisierung darin.


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