Kernelement künftiger Wertschöpfung

Optimierungen am digitalen Zwilling verproben

Digitale Zwillinge können in allen Lebenszyklusphasen Nutzen stiften.
Digitale Zwillinge können in allen Lebenszyklusphasen Nutzen stiften.Bild: UNITY AG

Digitale Modelle sind in der Industrie ein längst etablierter Standard. Sie werden bei der Produktentwicklung (CAD), der digitalen Absicherung (DMU, Simulation), innerhalb der Produktion (CAM) oder auch im Marketing (photorealistisches Rendering) eingesetzt. Ziel ist es, noch vor der eigentlichen Produktion oder Benutzung des Produkts unterschiedliche Untersuchungen und Analysen an diesem durchzuführen. Das Konzept des Digitalen Zwillings geht darüber hinaus: Der Digitale Zwilling ist das digitale Abbild eines materiellen Objekts (Produkt, Produktionsanlage, Fabrik) oder auch eines immateriellen Objekts (Geschäftsprozess) aus der realen Welt. Er besteht generell aus dem realen Objekt, seinem digitalen Modell und einer Verknüpfung zwischen diesen beiden Welten. Die Verknüpfung des realen Objekts mit dem digitalen Modell wird meist über Sensoren realisiert, die am realen Objekt angebracht sind. Diese Sensoren übertragen aktuelle Zustandsinformationen an das digitale Modell. Auf diese Weise bleibt das digitale Modell nicht nur eine statische Abbildung zum Erstellungszeitpunkt, sondern kann kontinuierlich den echten Zustand des realen Objekts annehmen. Über diese Verknüpfung lässt sich dann das reale Objekt simulieren, optimieren und sogar steuern.

Unterscheidung Digitaler Zwillinge anhand der Art ihrer Anwendung.
Unterscheidung Digitaler Zwillinge anhand der Art ihrer Anwendung.Bild: UNITY AG

50 Jahre altes Konzept

1970 meldete sich der Astronaut John Swigert beim NASA Mission Control Center in Houston mit den Worten „Houston, we have a problem“. Ein explodierter Sauerstofftank des Servicemoduls brachte die Elektrizitäts-, Licht- und Wasserversorgung des Kommandomoduls zum Zusammenbruch. Die Ingenieure der NASA ermittelten dann Möglichkeiten, die entstandenen Schäden mit Bordmitteln zu beheben. Dieses taten sie an einer 1:1-Kopie des Apollo-13-Moduls, was sich auf der Erde befand und ‚The Twin‘ genannt wurde. Den Begriff ‚Digital Twin‘ – also digitaler Zwilling – nutzte wohl zuerst der Amerikaner Michael Grieves. Er prägte den Ausdruck im Rahmen seiner Forschung zum Product Lifecycle Management (PLM) an der University of Michigan und bezeichnet damit ein digitales 1:1-Abbild eines realen Objekts. Ab dem Jahr 2016 wurden digitale Zwillinge in unterschiedlichen Bereichen implementiert – auch für den Hafen Rotterdamm. Dieser ist für den gewerblichen Schiffsverkehr der größte Frachtumschlagsplatz in ganz Europa. Mit Hilfe eines digitalen Zwillings sollen bis 2025 alle relevanten Prozesse im und um den Hafen digitalisiert werden, sodass die Schiffsabfertigung vollkommen automatisiert ablaufen kann. Dazu liefern unterschiedliche Sensoren Daten zu Schiffsbewegungen, freien Liegeplätzen, Wasserbewegungen und zum Wetter. Diese Daten werden dann dazu genutzt, eine optimale Abfertigung der ankommenden Schiffe zu ermöglichen und die vernetzte Steuerungstechnik für den Hafen zu entwickeln. Die stetig steigende Anzahl an Sensoren – 2020 waren es bereits über 20 Milliarden – weist auf einen klaren Trend zu immer mehr digitalen Zwillingen hin.

Der Data Layer verbindet Systeme und 
vereinfacht den Datenzugriff für Anwender und Systeme.
Der Data Layer verbindet Systeme und vereinfacht den Datenzugriff für Anwender und Systeme.Bild: UNITY AG

Entlang des Lebenszyklus

Der digitale Zwilling kann in allen Lebenszyklusphasen Nutzen stiften. In der Produktentwicklung werden unterschiedliche Anforderungen an das Produkt gestellt, die schnell umgesetzt und womöglich rechtlichen oder regulatorischen Anforderungen Rechnung tragen müssen. In dieser Phase werden die unterschiedlichen Design-Alternativen analysiert. Mit Simulationen wird sichergestellt, dass das Produktdesign die Anforderungen erfüllt. Hier spricht man oft noch nicht vom digitalen Zwilling, sondern vom digitalen Modell, da in dieser Phase noch kein physisches Objekt existiert. In den späteren Phasen der Produktion kann der digitale Zwilling helfen, Effizienz und Qualität zu erhöhen und Kosten zu senken. Auch in der Betriebsphase kann der digitale Zwilling genutzt werden, um die Verfügbarkeit von Maschinen zu verbessern (z.B. mittels Predictive Maintenance) oder um den Kunden datengetriebene Services anzubieten (z.B. eine externe Wartung der Maschine mittels Condition Monitoring). Sogar in der letzten Lebensphase, dem Recycling, kann der digitale Zwilling beispielsweise für die Ersatzplanung oder die Eruierung von Upcycling-Potenzialen eingesetzt werden.

In der Praxis empfiehlt sich meist eine Kombination aus Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz.
In der Praxis empfiehlt sich meist eine Kombination aus Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz.Bild: UNITY AG

Übergreifender Nutzen

Das breite Einsatzspektrum deutet es an: Es gibt nicht den einen digitalen Zwilling. Dennoch lassen sich die verschiedenen Nutzenpotenziale grob in die folgenden fünf Kategorien fassen:

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