Smartes selbstlernendes Assistenzsystem für die Produktion

Maddox zeigt die Wissenskarten mit den Störungs- und Lösungshilfen auf dem Tablet an.
Maddox zeigt die Wissenskarten mit den Störungs- und Lösungshilfen auf dem Tablet an.Bild: © Peerox GmbH

Bei einem Maschinenstillstand wird das Wissen erfahrener Kolleginnen und Kollegen benötigt. Doch diese sind häufig genau dann nicht vor Ort. Das weniger erfahrene Personal muss dann die Störung in Eigenregie beheben. Doch auch wenn umfangreiche Dokumentationen vorhanden sind, ist es im Fehlerfall und unter Zeitdruck eine große Herausforderung, die passenden Informationen zu finden. In der Folge wird nur selten die tatsächliche Ursache der Störung beseitigt, sodass sie in kurzen Abständen erneut auftritt. Ziel von Peerox ist es, dieses Alltagsszenario in Produktionsbetrieben zu vermeiden. Mit ihrem intelligenten, selbstlernenden Assistenzsystem Maddox will sie die Effizienz in Produktionsunternehmen steigern, Ausschuss reduzieren und so einen Beitrag für die ökonomische und ökologische Produktion etwa von Lebensmitteln, Kosmetika und Pharmaprodukten leisten. Das Spin-off aus dem Fraunhofer IVV in Dresden wurde im Sommer 2019 mit Unterstützung des EXIST-Forschungstransfers, einem Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, von Andre Schult und Markus Windisch gegründet. Heute zählt das Unternehmen 17 Mitarbeitende.

»Viele Produktionsbetriebe haben eine Effizienz von kaum mehr als 60 Prozent, da ist noch Luft nach oben. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Ursache der Störung an der Maschine nicht behoben wird. Der Bediener erkennt nicht, ob ein Einschieber klemmt, der Sauger verstopft ist oder ein anderer Fehler vorliegt«, sagt Andre Schult, CEO von Peerox. Das Erfahrungswissen ist zwar vorhanden, aber die Mitarbeitenden mit der gewünschten Expertise sind im Notfall oft nicht greifbar. Mit Blick auf den demographischen Wandel, den Fachkräftemangel und die stärkere Fluktuation der Mitarbeitenden ist die Abhängigkeit von menschlichem Erfahrungswissen in der Produktion zunehmend ein großes Problem, das Peerox mit Maddox adressieren will, indem sie das Erfahrungswissen der Beschäftigten digitalisiert.

Die Gründer der Peerox GmbH: CTO Markus Windisch (links) und CEO Andre Schult (rechts).
Die Gründer der Peerox GmbH: CTO Markus Windisch (links) und CEO Andre Schult (rechts).Bild: © Fraunhofer IVV/Timm Ziegenthaler

Wissenskarten mit Störungs- und Lösungshilfen

»Oftmals weiß der Mitarbeitende gar nicht, mit welchen Begriffen er nach der Fehlerursache suchen soll. Löst z.B. ein zerquetschter Joghurtbecher den Maschinenstillstand aus, kann man in der Dokumentation nach Band, Becher, Riemen oder einem anderen Schlagwort suchen. Wer dann nicht schnell fündig wird, gibt in der Regel auch auf zu suchen. Daher suchen wir mit Maddox datenbasiert und nutzen Maschinendaten wie Druckverläufe, Temperaturen, Lichtschrankensignale oder Fehlercodes«, erläutert Schult. Ein eigens entwickelter selbstlernender Suchalgorithmus analysiert die Maschinendaten mithilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens und bildet Klassen ähnlicher Datenmuster. Diese werden mit digitalen Wissenskarten verknüpft. Vergleichbar einer Wiki-Seite werden durch die Mitarbeitenden auf diesen Wissenskarten Störungs- und Lösungsbeschreibungen visuell mit Texten, Bildern und Videos dokumentiert. Geht die Maschine in Störung, analysiert der Algorithmus die Datenmuster, sucht nach ähnlichen Klassen und schlägt dem User die verknüpfte Wissenskarte über ein plattformunabhängiges Tablet vor – so das Prinzip der Assistenzlösung. Trat das Problem – etwa eine verschmutzte Düse – vor vier Wochen schon einmal auf, wird ein Lösungsweg vorgeschlagen, den der Bediener ablehnen oder bestätigen kann. In Abhängigkeit davon lernt das System dazu, welche Einträge aus der Datenbank in welcher Situation hilfreich waren. Durch eine spezielle Form der Datenvorverarbeitung und Merkmalsreduktion lernt der Algorithmus besonders schnell.

Digitaler Helfer mit psychologischem Fachwissen

»Maddox ist im Prinzip ein digitaler Kollege, der helfend zur Seite steht«, sagt der Ingenieur. Wichtig ist die psychologische Komponente. Das linuxbasierte Wissensmanagementsystem enthält viele Features, die menschliche Triebkräfte wie Hilfsbereitschaft und Wertschätzung berücksichtigen und die dazu anregen, es gern zu benutzen. Sie motivieren zum Bestätigen, Ablehnen, Korrigieren und Erweitern der Einträge und zum Teilen des Erfahrungswissens. Die entsprechenden Features konnten durch langjährige Zusammenarbeit mit Ingenieurpsychologen der TU Dresden in das System eingebunden werden. »Das unterscheidet unsere Kommunikationsplattform auch von anderen Wissensmanagementsystemen. Wir beziehen den psychologischen Faktor ein und können so das Engagement erhöhen, die Dokumentation verbessern und Betriebskosten senken«, resümiert Schult. Inzwischen ist die Kompetenz der Ingenieurpsychologie auch Teil des Forschungsteams Digitalisierung und Assistenzsysteme am Fraunhofer IVV.


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