Engineering-Aufwand bei TIA-Portal-Projekten radikal reduzieren

„“Es gibt kein vergleichbaresTool „

Grollmus ist ein bekannter Name, wenn es um Fort- und Weiterbildung im SPS-Bereich geht. Wie kommen Sie dazu, plötzlich auch als Softwareanbieter aufzutreten?

S. Grollmus: Durch die Vielzahl unserer Schulungen haben wir das Ohr permanent am Markt und wissen ganz genau, welche Themen die Anwender tatsächlich beschäftigen. Gleichzeitig haben wir als Entwickler des TIA Selection Tools für Siemens viel Erfahrung in der Softwareentwicklung. In Kombination war es dann gar nicht mehr so weit zur Idee, ein Tool zu entwickeln, um SPS-Code im TIA Portal möglichst automatisch zu generieren.

Quasi aus der Hüfte geschossen?

S. Grollmus: Ganz so einfach geht es natürlich nicht. Im ersten Schritt haben wir einen Proof-of-Concept zur Anbindung an das TIA Portal erstellt. Das Ergebnis wurde dann intern vorgestellt, was bei unseren Praxisexperten bereits für Begeisterung gesorgt hat. Parallel haben wir bei verschiedenen Partnern aus dem Schulungsbereich nachgehakt – mit dem gleichen Resultat. Im zweiten Schritt wurde das Projekt dann auf professionelle Beine gestellt: Mit einem eigenen Team in unserer Softwareentwicklung, geführt von einem erfahrenen Trainer, der die Anforderungen der Anwender genau kennt. So ist dann das Factory Automation Studio entstanden. Es gibt kein vergleichbares Tool auf dem Markt.

Was ist denn das Besondere?

S. Grollmus: SPS-Code zu schreiben ist nach wie vor sehr zeitintensiv. Die Programmierung einer Maschine oder Anlage nimmt meist Tage, wenn nicht sogar Wochen in Anspruch. Damit verzögert sich auch die Time-to-Market. Entsprechend groß ist der Mehrwert, wenn sich dieser Prozess beschleunigen lässt. Dazu kommt, dass viele Anwender in der Automatisierung immer noch so arbeiten, wie sie es seit Jahrzehnten gewohnt sind – sie erstellen manuell Zeile um Zeile SPS-Code.

Aber das TIA Portal folgt doch bereits dem Ansatz von Funktionsbausteinen und Bibliotheken.

M. Grollmus: Klar, es gibt die Möglichkeit, eigene Bibliotheken mit Funktionsbausteinen zu erstellen. Bei deren Verwendung in konkreten Projekten müssen die Aufrufe und Parameter der Bausteine jedoch einzeln händisch erstellt werden. In diesen Schritten steckt sehr viel Zeit und hohes Fehlerpotential. Und genau dabei wird der Anwender im TIA Portal nicht unterstützt. Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Denn auch wenn Maschinenfunktionen in den jeweiligen Modellen oder Varianten unterschiedlich parametriert werden, die Basis – also das Spektrum an regelmäßig verwendeten Komponenten und Features – ist immer gleich oder zumindest sehr ähnlich. Entsprechend viel ließe sich auf SPS-Seite standardisieren und modularisieren. Ein Trend, der zwar heute in aller Munde ist, sich in der Praxis aber noch überhaupt nicht durchgesetzt hat. Unter anderem, weil entsprechende Tools gefehlt haben.

Und an dieser Stelle bringen Sie jetzt das Factory Automation Studio ins Spiel?

M. Grollmus: Genau. Jetzt gibt es erstmals ein professionelles Tool mit einem generischen Ansatz und einer benutzerfreundlichen Oberfläche. Über das Factory Automation Studio kann der Anwender Funktionen und Funktionsbausteine aus Bibliotheken im TIA Portal unkompliziert und schnell generieren bzw. parametrieren. Diese Kombination gab es auf dem Markt bisher einfach nicht.

Auch nicht von Siemens selbst?

S. Grollmus: Nein. Siemens bietet mit dem TIA Portal zwar eine umfassende Automatisierungswelt und ist nicht umsonst Marktführer in Europa. Aber der Part der flexiblen und effizienten Code-Generierung findet sich hier nicht. In diese Richtung abzielende Features sind bislang sehr spezifisch auf einzelne Bereiche wie die Antriebstechnik ausgerichtet.

Über die TIA-Openness-Schnittstelle könnten Maschinenbauer aber eigene Tools andocken.

S. Grollmus: Ja, theoretisch geht das. Doch der klassische SPS-Programmierer kommt hier nicht weit, denn man braucht tiefgreifendes Hochsprachen-Knowhow. So mussten auch wir in der Entwicklung eine Menge IT-Wissen einbringen – natürlich kombiniert mit unserer Simatic- und TIA-Kompetenz.

Und wie ist das Feedback von Siemens zu Ihrem Tool?

M. Grollmus: Wir arbeiten ja seit Jahren eng mit Siemens zusammen und haben dort unsere Idee präsentiert. Das Interesse war von Beginn an groß, schließlich bringt das Factory Automation Studio ja einen gewichtigen Vorteil für den Simatic-Anwender. In der Folge arbeiten wir im engen Austausch mit Siemens und treiben das Tool gemeinsam voran, etwa durch die Implementierung entsprechender Standards. Vertrieben wird es aber bis auf weiteres nur von Grollmus – als neue Möglichkeit für ein deutlich schnelleres Engineering.

Welche Hebel nutzen Sie denn dabei genau?

S. Grollmus: Dem Schlagwort der Modularisierung folgend, sollte der Anwender heute einen gewissen Standard im SPS-Engineering etablieren. Ansonsten muss er ja bei jedem Projekt wieder komplett neu anfangen. Gleichzeitig sollte der Maschinenbauer die SPS-Entwicklung auch möglichst nah an der Elektrokonstruktion ansiedeln – letztlich handelt es sich ja nur um zwei unterschiedliche Perspektiven auf die gleichen Komponenten. Mit unserem Tool treiben wir den Standardisierungsansatz auf beiden Seiten. Ziel ist es, Lösungen in beiden Welten parallel und automatisch zu generieren – inklusive eines ständigen Datenabgleichs und ohne manuelle Arbeitsschritte.

Können Sie das Vorgehen etwas genauer beschreiben?

S. Grollmus: Praktisch gesehen lassen sich alle I/O-Listen und die Struktur der Komponenten und Geräte aus dem ECAD-Schaltplan in die SPS-Programmierung übernehmen. Dann müssen sie nur noch mit den jeweiligen Logikfunktionen im TIA Portal verknüpft werden. Voraussetzung ist, dass man letztere in der grafischen Oberfläche des Factory Automation Studio als Teil des hauseigenen Standards bereits definiert und mit Verschaltungsregeln versehen hat. Auf diese Weise enthält der Anwender automatisiert einen Programmentwurf, den er dann im TIA Portal nur noch maschinenspezfisch anpassen muss. Weil es sich aber um eine ganz neue Herangehensweise für die meisten Maschinenbauer handelt, empfehlen wir, den Prozess in mehrere Etappen aufzuteilen – sprich einen Baustein nach dem anderen anzugehen. In der Summe profitiert der Anwender dann immens.

Welche Zeitersparnis lässt sich dann im Engineering erreichen?

S. Grollmus: Es dauert natürlich etwas, einen eigenen Standard aufzusetzen und ihn Stück für Stück um Bausteine zu erweitern. Aber wenn der Standard erst einmal den Großteil der wiederkehrenden Maschinenfunktionen umfasst, landet der Anwender bei 80 bis 90 Prozent weniger Aufwand. Das ist realistisch.

Haben Sie das schon bei ersten Pilotanwendern getestet?

S. Grollmus: Ja klar. Nur so lässt sich herausfinden, wie man den vielen unterschiedlichen Anforderungen tatsächlich begegnen kann. Das erste Release des Tools haben wir im engen Austausch mit unseren Pilotkunden jetzt auf einen Stand gebracht, mit dem der Anwender voll durchstarten kann.

Welche Anwendergruppe steht im Fokus des Factory Automation Studio?

S. Grollmus: Im Fokus steht ganz klar der SPS-Programmierer. Und zwar quer durch alle Marktsegmente und Branchen. Für Serienmaschinenbauer, die eine gewisse Variantenvielfalt abdecken müssen, ist es genauso interessant wie für Sondermaschinenbauer, die regelmäßig ähnliche Anlagenteile realisieren und integrieren. In Summe reicht die Zielgruppe also vom Ingenieurbüro über den mittelständischen Maschinenbauer bis zum Automobilhersteller.

Gibt es spezielle Voraussetzungen, die man als Anwender mitbringen muss?

S. Grollmus: Man braucht natürlich das TIA Portal und dort letztlich auch entsprechende Bibliotheken mit typisierten Bausteinen. Darüber hinaus findet sich die maßgebliche Voraussetzung in einem modernen Entwicklungs-Workflow. Der Anwender muss modularisiert und standardisiert an die Sache herangehen. Der dritte Punkt ist, wie schon erwähnt, den Elektroschaltplan in die Standardisierung mit einzubeziehen. Dann bietet unsere Importfunktion den größten Mehrwert und TIA-Portal-Projekte lassen sich automatisch erzeugen.

Gehen die ECAD-Anbieter auch in Richtung Standardisierung?

M. Grollmus: Absolut. Siemens und Eplan sind diesbezüglich schon lange im Austausch. Mit der automatisierten Schnittstelle des Factory Automation Studio lassen sich SPS und ECAD aber noch besser aufeinander abstimmen. Aus diesem Grund sind wir jetzt der erste Eplan Solution Partner. Mit unserem Knowhow können wir beide Welten wunderbar bedienen: Wir kennen die Denkweisen auf beiden Seiten, die Prozesse und Strukturen – und wissen wie man sie zusammenbringt.

Profitiert der Anwender auch über die Software hinaus von Ihrer Expertise?

M. Grollmus: Sehen Sie, man kann heute nicht mehr nur Software verkaufen und den Kunden dann alleine lassen. Man muss auch die begleitende Consultant-Leistung vorhalten. In diesem Sinne nehmen wir den Kunden beim Einsatz unseres Tools anfangs gerne an die Hand. Das läuft dann in der Praxis wie folgt: Wir prüfen gemeinsam seine typischen TIA-Portal-Projekte und bereits existierende Bibliotheken oder Schaltpläne. Anschließend sprechen wir den aus unserer Sicht besten Weg für die Standardisierung durch, machen auf Wunsch konkrete Vorschläge, definieren Regeln oder gestalten erste SPS-Bausteine. Wir begleiten den Anwender als beratende Instanz in eine hocheffiziente Zukunft des Maschinen-Engineerings. Künftig wollen wir auch Schulungen anbieten, die speziell auf das Factory Automation Studio und die ECAD-Integration abzielen, so dass sich das spezifische Knowhow bei unseren Kunden entsprechend skalieren lässt.

Wird der SPS-Progammierer dann mittelfristig von Ihrer Software abgelöst?

S. Grollmus: Nein. Wer sich mit SPS-Entwicklung auskennt, merkt schnell, wie groß der Hebel des neuen Tools ist. Aber keine Sorge: Der SPS-Programmierer lässt sich als hochspezialisierter Knowhow-Träger nicht durch einen standardisierten Prozess wegrationalisieren. Die tägliche Arbeit wird einfacher, denn zeitfressende, repetitive Arbeiten übernimmt das Tool. Seine Kernaufgaben bleiben aber erhalten. Gleichzeitig hält er die Komplexität der SPS-Software beherrschbar. Spezielles IT-Knowhow, wie die Hochsprache C# für die TIA-Openness-Schnittstelle, muss er aber nicht vorhalten.

Das erste Release ist jetzt ganz frisch verfügbar. Können die Anwender gleich loslegen?

S. Grollmus: Unsere Kunden agieren auf unterschiedlichen Levels. Einige warten auf den Start und haben ihre Bibliotheken bereits vorbereitet. Sie können mit der Version 1 jetzt direkt in konkrete Projekte gehen. Viele weitere Kunden sind mit uns gerade in der Vorbereitungs- und Testphase. Andere sind noch in der internen Klärung oder müssen erst passende Strukturen schaffen.

Wie sieht die weitere Roadmap aus?

S. Grollmus: Unsere Entwicklung ist agil und kontinuierlich ausgerichtet. Entsprechend erhält der Anwender alle ein bis zwei Monate automatisch ein Update mit neuen Features und Funktionserweiterungen. Weitere große Punkte auf unserer Roadmap sind etwa Visualisierung und Simulation, die wir in diesem Jahr noch realisieren werden.

  • Schritt 1: Anwender wählen die Anlagen und Orte ihres Elektroschaltplans aus, für die sie Gruppen, Programmbausteine und Datenbausteine automatisch erzeugen lassen wollen.
  • Schritt 2: Die passenden Bausteine aus der TIA-Portal-Bibliothek des Anwenders lassen sich automatisch vom Factory Automation Studio für das Projekt aufrufen und verschalten.
  • Schritt 3: Das Factory Automation Studio erstellt ohne manuelle Eingaben die ausgewählte Struktur aus dem Elektroplan inklusive Bausteine und Baustein-Aufrufe im TIA Portal.

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