„Attraktives Bundle“

Aber das bedeutet doch einen erheblichen Aufwand, gerade für ein mittelständisches Unternehmen.

Roth: Es kommt auf die jeweiligen Wünsche an. Unsere HMIs an das Branding eines Kunden anzupassen ist schnell erledigt. Die Integration spezieller Funktionen oder Schnittstellen ist natürlich etwas aufwändiger. Dann kommt unser modulares Baukastensystem zum Tragen, in dessen Rahmen der Kunde Eigenschaften wie Displaygröße, CPU-Performance oder Anschlüsse je nach Bedarf frei wählen kann.

Und wie sieht es auf Seite der Software aus?

Höss: Im Softwarebereich haben wir praktisch kein Projekt mehr, bei dem nicht individuelle Wünsche für Usability oder Design mit im Boot sind. Hier haben sich die Ansprüche der Endanwender stark verändert. Mit Visualisierungen und Bedienoberflächen, wie man sie früher im Maschinenbau kannte – grau in grau – gewinnt man heute keinen Preis mehr.

Die Bachmann-Tochter Certec hat bei der Visualisierung von Anfang an auf das Web gesetzt.

Höss: Richtig, und damit waren wir der Zeit rund zehn Jahre voraus. In den Anfängen konnte niemand sagen, ob sich dieser Ansatz wirklich durchsetzen würde. Aber aus heutiger Perspektive ist klar: Es war der richtige Weg. Entsprechend haben wir bei der Web-Visualisierung einen deutlichen Know-how- und Erfahrungsvorsprung gegenüber dem Wettbewerb. Aber unsere Marktbegleiter ziehen nach: Mittlerweile sind verschiedene Produkte angekündigt oder bereits auf den Markt. Sie sind zwar funktional noch nicht so weit wie Atvise, aber um die Technologieführerschaft weiterhin zu halten und nicht eingeholt zu werden, dürfen wir uns nicht auf unserem Vorsprung ausruhen.

Die Visualisierung ist ein gutes Beispiel dafür, wie stark der Stellenwert der Software in der modernen Automatisierungstechnik zugenommen hat. Wird Hardware zur Nebensache?

Roth: Nein, man darf die Hardware nicht vernachlässigen. Bachmann-Steuerungen sind als High-End-Geräte für besonders anspruchsvolle Anwendungen ausgelegt, genauso wie unsere HMIs. Sie trotzen in all ihren Kernmärkten harten Umgebungsbedingungen oder extremen Temperaturen. Das wissen unsere Kunden und das erwarten sie auch weiterhin. Deswegen bekommen sie bei Bachmann getestete und freigegebene Visualisierungslösungen als Gesamtpaket.

Welche Anwendungsbereiche und Branchen spricht Bachmann mit Atvise denn hauptsächlich an?

Höss: Wichtig sind für uns die Windenergie – für die wir unter dem Namen Windpower Scada sogar ein eigenes Branchenprodukt etabliert haben – sowie die anderen Bachmann-Kernzielbranchen Marine, Industrie und erneuerbare Energien. Darüber hinaus passt Atvise auch für ein sehr breites Spektrum weiterer Marktsegmente von Produktion und Logistik über die Gebäudeautomatisierung bis hin zur Verkehrsleittechnik.

Mit der Visualisierungssoftware ist Bachmann also breiter aufgestellt, als mit seiner klassischen Steuerungshardware?

Roth: Ja, die Strategien sind schon etwas verschieden: Steuerungsseitig liegt der Fokus ganz klar auf vier Kernbranchen und auch mit unseren HMIs richten wir uns als High-End-Anbieter normalerweise nicht an Marktsegmente, in denen Qualität eine untergeordnete Rolle spielt. Aber über das breite Anwendungsspektrum von Atvise tun sich auch hardwareseitig neue Anwendungen für Hardware von Bachmann auf. Denn viele Kunden wollen die Soft- und Hardware aus einer Hand. Entsprechend kommt die Kombination aus Atvise-Software und Bachmann-HMIs in vielen Märkten zum Einsatz.

Höss: Mit seinen hochwertigen und spezifisch abgestimmten Steuerungslösungen zielt Bachmann vor allem auf große Kunden in speziellen Marktsegmenten ab. Bei der Visualisierung verhält es sich etwas anders: Hier beschränken wir uns nicht auf bestimmte Marksegmente. Ganz im Gegenteil: Wir bieten mit Atvise und den Web-Panels schon heute ein sehr attraktives Bundle für den Massenmarkt. Unser Ziel ist es, damit verstärkt neue Marktsegmente außerhalb der Bachmann-Kernbranchen zu besetzen. Und bei diesem Vorhaben sind wir auf einem guten Weg.

Wie gelingt das?

Höss: Viele der etablierten HMI-Lösungsanbieter geraten zunehmend unter Druck, weil sie nach wie vor auf den alten Technologiebestand setzen und von der Philosophie eher träge geworden sind.

Roth: Ein Punkt ist auch die Qualifizierung der Mitarbeiter. Web-Technologien sind mittlerweile so verbreitet, dass man hier leichter Mitarbeiter findet, als wenn man nach Spezialisten für klassische Visualisierung sucht. Zudem wird viel weniger Vorlaufzeit benötigt, um neue Entwickler einzuarbeiten. Das entwickelt sich in Zeiten des Fachkräftemangels zu einem wichtigen Aspekt.

Höss: Der technologische Wandel eröffnet für innovative Unternehmen wie Bachmann eine riesige Chance, weil er die alten Strukturen aufbricht. So kommen unsere Lösungen nun auch in Anwendungen bzw. Branchen zum Einsatz, die bisher größtenteils proprietär besetzt waren – z.B. in der Automobilindustrie. Dort spielen in Bezug auf die Visualisierung heute Leistung und moderne Möglichkeiten – User Interface, Bedienkomfort, perfekte Grafik – eine große Rolle. Der Anbietername steht hingegen immer öfter zurück.

Vielen Dank für das Gespräch. (mby)