Montagearbeitsplätze mit und ohne Cobot in Werkstätten für behinderte Menschen

Ergonomisch und fehlerfrei arbeiten

Bei der Montage können die Cobots dem Werker Material anreichen oder fertige Teile an den dafür vorgesehenen Stellen ablegen.
Bei der Montage können die Cobots dem Werker Material anreichen oder fertige Teile an den dafür vorgesehenen Stellen ablegen.Bild: RK Antriebs- und Handhabungs- Technik GmbH

Werkstatt Bremen ist ein eingetragener Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen und betreibt mit dem Martinshof eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Rund 1.800 Menschen, die auf Grund einer Behinderung keine Chance auf einen regulären Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz hätten, arbeiten und lernen bei Werkstatt Bremen an über 33 Standorten. Rund 400 Fachkräfte unterstützen die Arbeitsprozesse durch fachliche Begleitung und berufliche Qualifizierung in über 20 Berufsfeldern und Gewerken. Im Bereich Automotive beschäftigt Werkstatt Bremen derzeit ca. 430 Mitarbeiter mit Behinderungen und beliefert seit mehr als 30 Jahren u.a. einen ortsansässigen Automobilhersteller.

Spezielle Poka-Yoke-Handarbeitsplätze von Rose+Krieger vermeiden bei Werkstatt Bremen Fehler bei der Montage von Fahrzeugkomponenten.
Spezielle Poka-Yoke-Handarbeitsplätze von Rose+Krieger vermeiden bei Werkstatt Bremen Fehler bei der Montage von Fahrzeugkomponenten.Bild: RK Antriebs- und Handhabungs- Technik GmbH

Drei ergonomische Montagearbeitsplätze

Bei dieser Aufgabe helfen anforderungsspezifische und nach ergonomischen Gesichtspunkten gestaltete Montagearbeitsplätze von Rose+Krieger. Drei Anlagen dieser Art hat Werkstatt Bremen seit August 2022 im Einsatz. „An den Arbeitsplätzen montieren unsere Mitarbeiter Drehstäbe in 18 Varianten und in hoher Stückzahl“, erklärt Miriam Berger, Teamleitung Produktions- und Auftragssteuerung bei Werkstatt Bremen. „Dabei werden jeweils rechts und links am Drehstab kleinere Stabilisatoren verschraubt, die sich optisch sehr ähneln, aber keinesfalls vertauscht werden dürfen. Zudem gilt es, stets das vorgegebene Drehmoment zu erreichen.“

Abgesehen von den hohen Qualitätsansprüchen müssen die Montagearbeitsplätze aber natürlich auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst sein: Denn sie tragen wesentlich dazu bei, dass Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen fehlerfrei und in ihrem eigenen Takt arbeiten können. „Die Anforderung war klar: Hier werden Arbeitsplätze benötigt, die sich zur Integration von Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen ins Arbeitsleben eignen und trotzdem die geforderte Qualität des Automobilherstellers sicherstellen“, so Andreas Kebbel, Geschäftsführer von RK Antriebs- und Handhabungs- Technik, eine Tochtergesellschaft von Rose+Krieger, die anspruchsvolle Systemlösungen auf den Gebieten Automatisierung und Produktionstechnik anbietet.

Bei den Poka-Yoke-Handarbeitsplätze lassen sich auch kollaborierende Roboter einbinden.
Bei den Poka-Yoke-Handarbeitsplätze lassen sich auch kollaborierende Roboter einbinden. Bild: RK Antriebs- und Handhabungs- Technik GmbH

Klappe auf – aber nur für die richtigen Komponenten

Die Montagearbeitsplätze funktionieren nach dem Poka-Yoke-System – lose übersetzt bedeutet der Begriff: Vermeidung kleiner ärgerlicher Fehler. Dafür sorgt eine Klappensteuerung: Dabei öffnet sich zusätzlich zu einem Lichtsignal die Verschlussklappe des jeweiligen Materialkastens. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Werker nur das zur Montageaufgabe und -reihenfolge passende Teil greifen kann. Die Rückmeldung erfolgt wahlweise automatisch oder manuell. Die SPS-basierte Steuerung erlaubt sowohl die kundenspezifische Integration in vorhandene Steuerungssysteme als auch nahezu unbegrenzte Erweiterungen der Montageprozesse auf den Arbeitsplätzen. Es besteht z.B. die Möglichkeit, das modulare System an vorhandenen Arbeitsplätzen nachzurüsten. Das Poka-Yoke-System für die Montagearbeitsplätze von RK-AHT stammt vom Projektpartner Mitsubishi Electric. Neben dem Einsatz in integrativen Werkstätten sind zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten denkbar.

„Das Produkt ist universell einsetzbar, wobei wir jeden Montagearbeitsplatz an die jeweilige Anwendung anpassen“, betont Kebbel. „Technisch sind dabei kaum Grenzen gesetzt.“ So lassen sich z.B. auch kollaborierende Roboter einbinden. Bei der Montage können die Cobots dem Werker Material anreichen oder fertige Teile an den dafür vorgesehenen Stellen ablegen. „Bei uns im Haus kann der Kunde mit seinem Bauteil die verschiedenen Arbeitsplätze auch austesten“, so Kebbel.

Doppelt kontrolliert hält besser

Bei Werkstatt Bremen wird der Montageprozess abgesichert, indem zunächst einmal das richtige Bauteil bereitgestellt wird. Über eine Kamera gewährleistet das System, dass es sich auch wirklich um die korrekte Komponente handelt. Anschließend wird dem Werker über einen Monitor angezeigt, auf welcher Seite die Montage stattzufinden hat. „Zu guter Letzt wird optisch noch einmal überprüft, ob die Montage auch wirklich korrekt stattgefunden hat“, so Kebbel. „Wir gehen hier also zweimal auf Nummer sicher – bei der Bereitstellung der Bauteile und nach der Montage.“

Kognitive Assistenzsysteme ermöglichen diese Anleitung und Qualitätssicherung in Echtzeit. Die am Arbeitsplatz erfassten Kamerabilder werden vom Assistenzsystem fortlaufend analysiert und mit dem digital gespeicherten Fachwissen verknüpft. Für Berger ist das ein großer Pluspunkt: „Wir haben bereits ähnliche Montagearbeitsplätze eines Mitbewerbers im Einsatz. Mit den neuen Anlagen können wir die bestehenden Prozesse weiter ausbauen. Neben der hohen Prozesssicherheit haben die Poka-Yoke-Arbeitsplätze für uns zudem den großen Vorteil, dass wir im Gegensatz zu früher fast jeden unserer Mitarbeiter für die Aufgabe einsetzen können.“

Gut durchdacht

Die Handarbeitsplätze sind hinsichtlich Höhe und Griffweiten auf den jeweiligen Werker einstellbar. Damit gewährleisten sie ergonomisches und behindertengerechtes Arbeiten. Der komplette Arbeitsplatz ist elektrisch höhenverstellbar, um unterschiedliche Körpergrößen zu berücksichtigen. Die ergonomische Anordnung der Bauteile und Werkzeuge reduziert zusätzlich die Arbeitsbelastung. „Alles ist so ausgelegt, dass die bestmögliche Arbeitsergonomie gewährleistet ist, die die Mitarbeiter gesund hält. Auch die Bedienung ist besonders intuitiv“, erläutert Kebbel. „Zudem lässt sich die LED-Beleuchtung dimmen. Das klingt erst einmal banal, trägt aber zum Wohlbefinden und zur Fehlervermeidung bei. Eine zu grelle Beleuchtung kann genauso hinderlich sein wie zu wenig Licht am Arbeitsplatz.“ Last but not least: Bei der Auslegung der Anlage berücksichtige Rose+Krieger eine konsequente Ressourcenschonung im Sinne der Lean Production.