Messtechnik zur Überwachung der Energieversorgung

Wenn nichts ausfallen darf

Bild: Janitza electronics GmbH / Martin Witzsch

Die richtige Messtechnik

Die gesamte Installation ist als TN-S-System mit zentralem Erdungspunkt ausgeführt. Dies ist für die EMV-Eigenschaften und das frühzeitige Identifizieren von beginnenden Isolationsfehlern entscheidend. Bei Anlagen mit fehlerhaften Verbindungen zwischen Neutral- und Schutzleiter vagabundieren Rückleiterströme über das Erdungssystem. Ein besonders ungünstiger Fall ist beispielsweise ein weit von der Trafostation entfernter Verbraucher in einem gut geerdeten Metallcontainer. Der Großteil des Stroms wird über das Erdungssystem und über Wasserleitungen, Lüftungssysteme, Armierungen usw. abfließen, nicht über den Neutralleiter. Durch die vagabundierenden Ströme mit verschiedenen Frequenzen und Gleichstromanteilen kann es zu Korrosion bis hin zum Lochfraß an Wasserleitungen kommen. Die Messtechnik stammt von Janitza Electronics. Ansprechpartner dort war Gerald Fritzen, der auf Rechenzentren spezialisiert ist und schon viele Projekte begleitet hat. „Wir haben ein Messkonzept über alle Granularitätsstufen, d.h. von der Einspeisung bis zum Endstromkreis aufgebaut“, umreißt er kurz das Projekt. „Besonders wichtig dabei war, dass wir in Anlagenteilen, in denen nichtlineare Ströme auftreten können, neben Fehlerströmen auch den Neutralleiter überwachen.“ Dies entspricht auch der Bitcom-Forderung nach einer ständigen Überwachung eines sauberen TN-S-Systems mit Aufschaltung auf eine durchgängig besetzte Leitzentrale. Hierfür ist bei der Hartl Group das Alarmmanagement in die ohnehin vorhandene IT-Rufbereitschaft eingebunden.

Allzweckwaffe Differenzstrommessung

Wie bereits erwähnt, ist Hochverfügbarkeit im Rechenzentrum Pflicht. Aber auch eine noch so gute, redundante Stromversorgung kann nicht verhindern, dass eine Sicherung auslöst. Deshalb müssen sich anbahnende Isolationsfehler und zu hohe Phasenströme erkannt werden, bevor ein FI-Schalter oder Leitungsschutzschalter anspricht. Davor schützt eine RCM-Messung (Residual Current Monitor / Differenzstrommessung) und Stromüberwachung über alle Granularitätsstufen. Diese erhöht nicht nur die Betriebssicherheit signifikant, sie macht auch die vierjährige Isolationsmessung der ortsfesten elektrischen Anlagen im Rahmen der DGUV V3 überflüssig. Abgesehen von den enormen Kosten ist diese in einem Rechenzentrum organisatorisch kaum möglich. Die Messung muss jedoch lückenlos sein. Christian Müller: „Für eine vollständige Überwachung sind Messungen nötig: drei Außenleiter, N-Leiter, Differenzstrom. Fehlt einer, kann man die Messung nicht sauber bewerten. Deswegen setzen wir das UMG 96RM-E ein.“ Auch bei der Wartung macht er keine Kompromisse: „Die Messung muss reproduzierbar sein. Deshalb haben wir Wandler-Prüfklemmen installiert. Bei der Wartung können wir so eine unterbrechungsfreie Vergleichsmessung mit einem mobilen UMG durchführen.“ Die Messungen erfolgen bis in die Zuleitungen zu den Racks. Ursprünglich waren dort intelligente PDUs vorgesehen, was sich jedoch nicht bewährt hatte. Bernd Buchbauer: „Eine einfache PDU geht praktisch nicht kaputt, wenn dann eher die Messtechnik. Außerdem stehen die Racks im Sicherheitsbereich. Da kann ich nicht ohne Betriebsausfall arbeiten. Die Überwachung zusammengefasst in einem Gerät ist sehr viel einfacher und bietet zudem ein besseres Preis/Leistungsverhältnis gegenüber vielen Einzelgeräten. Außerdem kann ich durch die Messung bis zur Rackversorgung Kostenstellen für vermietete Server generieren.“ Neben der RCM-Überwachung übernimmt die Messtechnik noch weitere Aufgaben, beispielsweise die Steuerung der Notstromversorgung.

Sichere Steuerung direkt aus dem Messgerät

Wie beschrieben verfügt das Rechenzentrum über je zwei unabhängige NEAs und USV-Anlagen. Bei Netzausfall übernimmt die USV die Versorgung und der Generator läuft hoch. Nach ca. 15 Sekunden hat er 1.500upm erreicht und die Anlage schaltet zu. Der Kraftstoffvorrat reicht für fünf Tage. Jede NEA für sich ist leistungsfähig genug, um alle wesentlichen Anlagenteile zu versorgen. Es wäre fatal, wenn eine NEA ans Netz geht, obwohl die reguläre Versorgung noch funktioniert. Deshalb hat Christian Müller eine Umschaltautomatik vorgesehen, wie sie auch in der Hochspannungstechnik zur Überwachung eines Leistungsschalters üblich ist. Für eine fehlerfreie Alarmmeldung nutzt er drei UMG 96RM-E, die über je zwei programmierbare digitale Ausgänge verfügen. Deren Zustände werden über ein 2-bit Verfahren überwacht und verhindern so Fehlauslösungen, z.B. durch Leitungsunterbrechungen. Christian Müller: „Das ist eine echte Schutzfunktion. Ich kann an den UMGs sogar eine Verzögerung einstellen. Damit kann ich einen Unterspannungsschutz ähnlich dem ANSI-Standard realisieren.“ Solange das Gerät online ist, kann es bei einer Störung sogar eine Alarmmeldung mit aktuellen Messwerten per Mail oder SNMP absetzen. Dann hat der Servicetechniker bereits einen ersten Status. Alle drei Messgeräte, die für die Umschaltung sorgen, sind über Kreuz USV-versorgt, d. h. das Messgerät für das A-Netz von USV B. Bei den UMGs sind Mess- und Hilfsspannung selbstverständlich getrennt. Damit ist die Alarmierung bei einem Spannungsausfall sichergestellt. Diese Verfahren aus der Hochspannungstechnik erleichtern einen eventuell nötigen Service, denn nicht jeder Elektriker hat Modbus-Kenntnisse oder entsprechende Spezialgeräte zur Hand. So kann er den Status der Ein- und Ausgänge ganz einfach mit einem Vielfachmessgerät prüfen.

Seiten: 1 2 3