„Neue Metaebene für das mechatronische Engineering“

Interview mit Maximilian Brandl, Eplan & Cideon, und Sebastian Seitz, Cideon

„Neue Metaebene für das mechatronische Engineering“

Die neue Informations-Plattform Syngineer zielt auf disziplinübergreifende Kommunikation und Dokumentation im Rahmen von mechatronischen Entwicklungsprojekten ab. Maximilian Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung von Eplan & Cideon, und Sebastian Seitz, Geschäftsführer Cideon, erklären im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN den dahinterstehenden Ansatz sowie den konkreten Nutzen der neuen Plattform.
Der Auftritt von Eplan auf der diesjährigen Hannover Messe drehte sich vor allem um den Prototyp des Syngineers. Was macht Ihre neue Lösung denn so spannend, Herr Brandl?

Maximilian Brandl: Durch das Zusammenwachsen von Mechanik, Elektrotechnik und Software im Maschinen- und Anlagenbau ist es notwendig, auch die jeweiligen Entwicklungswelten eng miteinander zu verbinden und mechatronische Vorgehensweisen zu etablieren. Das stellt die Unternehmen aber vor Herausforderungen. Denn die daran beteiligten Engineering-Disziplinen haben sich ja aus der Vergangenheit heraus entwickelt, sozusagen jeder in seinem eigenen Kämmerlein. Dem modernen Anspruch folgend müssten sie sich heute aber untereinander permanent austauschen und ihre Arbeit parallelisieren. Nach wie vor klassisch sequenziell zu arbeiten, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Unser Syngineer bietet für diesen Paradigmenwechsel eine übergreifende und komfortable Basis, damit die verschiedenen Abteilungen in der Produktentwicklung enger und interdisziplinär zusammenarbeiten können.

Es ist also auch eine Antwort darauf, dass die Prozesse im Engineering immer komplexer werden?

Brandl: So ist es. Der Anwender kann dabei weiterhin in den gewohnten Konstruktions- und Entwicklungssystemen arbeiten: der Maschinenbauingenieur z.B. im Autodesk Inventor und der Elektroingenieur mit Eplan Electric P8. Trotzdem haben beide mit dem Syngineer eine gemeinsame Kommunikationsplattform, die Informationen austauscht und Daten synchronisiert.

Eplan adressiert das mechatronische Engineering ja schon lange mit einer Vielzahl von Tools. Lässt sich der Syngineer als übergreifende Möglichkeit für die Anbindung Ihrer Werkzeuge an andere Entwicklungswelten beschreiben?

Sebastian Seitz: Der Syngineer ist noch viel mehr als das. Immer mehr Kunden haben in der mechatronischen Entwicklung folgende Erfahrungskurve durchlebt: Wenn die jeweiligen Disziplinen früher miteinander geredet hätten, wären bestimmte Probleme gar nicht entstanden. Mit dem Syngineer bieten wir wie erwähnt die Möglichkeit, alle beteiligten Spezialisten weiterhin in ihren Disziplinen wirken zu lassen. Es muss kein Maschinenbauingenieur zum Elektrotechniker oder Software-Entwickler werden. Stattdessen stellen wir sicher, dass die Mitarbeiter eines Projekts durchgeführte Änderungen auf jeder Seite schnell erkennen und frühzeitig miteinander darüber diskutieren können.

Brandl: Die Frage nach der Anbindung an die Engineering-Umgebung ist aus unserer Sicht aber natürlich ein wichtiger Aspekt. Schließlich besteht die Engineering-Welt aus sehr vielen Systemen. Bei den Schnittstellen des Syngineers bieten wir neben den eigenen Entwicklungssystemen im ersten Schritt Plug-Ins für Autodesk Inventor und SolidWorks an sowie für Codesys auf der Steuerungsseite. Jetzt prüfen wir, welche Plug-Ins als nächstes folgen.

Lässt sich dieser übergreifende Ansatz in Bezug auf die Arbeitsweisen der verschiedenen Disziplinen denn überhaupt realisieren?

Seitz: Einfach ist es nicht. Denn der eine arbeitet baugruppenorientiert, der zweite funktionsorientiert und der dritte modular.

Brandl: Aber an dieser Stelle konnten wir die in unserer Unternehmensgruppe vorhandenen Erfahrungen und Stärken kombinieren. Eplan weiß genau, wie der Elektroplaner arbeitet, und genauso kennt die Cideon-Seite die Herangehensweise der Maschinenbauingenieure. Und über die Codesys-Seite können wir auch die Prozesse in der Software-Entwicklung abdecken.

Seitz: Ein Wettstreit der unterschiedlichen Sichten und Arbeitsweisen lässt sich mit dem Syngineer völlig pragmatisch ausblenden. Jeder darf so arbeiten, wie er es gewohnt ist. Das neue System gleicht also nicht nur die Engineering-Daten ab, sondern spielt auch den Übersetzer zwischen den jeweiligen Arbeitsweisen. Über eine flexible und unabhängige Darstellung bekommt der Entwickler dann die Änderungen der anderen Seite angezeigt.

Kann man aus dem offenen Ansatz schließen, dass der Syngineer auch für ECAD-Programme abseits von Eplan verfügbar sein wird?

Brandl: Auch das wollen wir nicht ausschließen. Aber wir wollen das Plug-In-Angebot so ausbauen, dass wir möglichst schnell ein möglichst hohes Spektrum der am Markt eingesetzten Systeme abdecken. Auf ECAD-Seite haben wir mit Eplan Electric P8 und unserem Weltmarktanteil zwischen 25 und 30 Prozent schon jetzt einen sehr guten Marktzugang. Der MCAD-Markt ist hingegen deutlich feiner granuliert. Deswegen legen wir bei den nächsten Plug-Ins die Priorität vor allem auf die Mechanik- und die Steuerungsseite.

Wie ist es denn dazu gekommen, dass Sie die neue Lösung entwickelt haben?

Brandl: Unsere Spezialisten für die verschiedenen Disziplinen saßen an einem Tisch, so konnte jede Seite unmittelbar ihre Expertise und Erfahrungen einbringen – und schon war die Produktidee geboren. Darauf aufbauend haben wir das Konzept natürlich in vielen folgenden Terminen konkretisiert. Im Laufe der Zeit kam dann auch der Name Syngineer auf und wurde einstimmig vom Managementteam beschlossen.

Wie sieht die Roadmap für den Syngineer aus? Wann wird er auf dem Markt verfügbar sein?

Brandl: Im September starten wir mit zehn ausgewählten Pilotanwendern aus unterschiedlichen Bereichen. Dabei wollen wir den Syngineer auf Herz und Nieren testen, Praxiserfahrung sammeln und auch das Preis- und Businessmodel abstimmen. Zur SPS IPC Drives soll der Syngineer dann für alle Kunden auf dem Markt verfügbar sein.

Seitz: Wir sind, was die Roadmap angeht, sehr zuversichtlich, denn das Feedback bei der Erstpräsentation auf der Hannover Messe war wirklich ausgezeichnet. Es sieht ganz so aus, als hätten wir mit der Funktionalität des Syngineers den Nagel auf den Kopf getroffen. In den kommenden Monaten müssen wir das nun in der Praxis nachweisen.

Welches Potenzial sehen Sie mittelfristig?

Seitz: Wir haben eine hohe Erwartungshaltung und sind davon überzeugt, dass wir dieses Produkt gut skalieren können. Demnach rechnen wir mittelfristig auch mit einer entsprechend hohen Anzahl an Usern im Maschinen und Anlagenbau.

Auf welcher Datenbasis erfolgt die Synchronisierung zwischen den verschiedenen Disziplinen?

Brandl: Der Syngineer ist letztendlich eine Applikation in der Cloud. Dort liegen die Synchronisierungsdaten ab und dort findet auch die Kommunikation statt – in Echtzeit. Das ist Voraussetzung, weil die jeweiligen Entwicklungsabteilungen oft räumlich weit voneinander entfernt sind. Nicht selten wird auch die ein oder andere Disziplin an Dienstleister wie Ingenieurbüros ausgelagert. Die erforderliche Infrastruktur stellen wir dabei auf etablierten Lösungen zur Verfügung – z.B. Microsoft Azure oder SAP Hana Cloud. Hier richten wir uns nach den Wünschen unserer Kunden.

Seitz: Dass wir hier auf Standardplattformen setzen, spielt uns natürlich auch bei den viel diskutierten Aspekten von Datensicherheit und Co. in die Hände.

Und wenn es um die Frage geht, wem die Daten in der Cloud gehören?

Seitz: Die Hoheit über die Daten, die über den Syngineer in die Cloud gepostet werden, bleibt bei den Unternehmen. Sie allein legen fest, was sie mit den Daten machen.

Brandl: Dieses Thema wird im deutschen Maschinenbau relativ sensibel behandelt. Aber in Bezug auf den Ansatz des Syngineers überwiegen die Chancen und die Möglichkeiten der Cloud das Risiko bei Weitem. Ob ein beteiligter User im Nachbarbüro sitzt, zwei Häuser weiter, in einer anderen Stadt oder auf der gegenüberliegenden Seite des Erdballs – das spielt gar keine Rolle mehr. Alle User können sich schnell und unkompliziert austauschen und Daten abgleichen. Der Syngineer ist letztendlich eine neue Metaebene für das mechatronische Engineering, die sich über alle Disziplinen spannt – das ist der zentrale Bestandteil des Mehrwerts für den Kunden.

Bringt der Syngineer denn ausschließlich Nutzen zwischen den verschiedenen Engineering-Disziplinen?

Seitz: Nein, wir bieten mit dem Syngineer bewusst auch die Option an, ihn als Kommunikationsplattform nur innerhalb einer Disziplin zu nutzen. Denn solche Möglichkeiten sind mitnichten in jedem Engineering- und CAD-System vorhanden. Dadurch gibt es auch hier schon greifbaren Mehrwert. Der größere Nutzen entsteht aber natürlich, wenn der Syngineer disziplinübergreifend zum Einsatz kommt.

Wie geht es weiter? Welche zusätzliche Funktionalität soll der Syngineer noch bekommen?

Seitz: Neben einer Verbesserung von Kooperation und Kommunikation in den Entwicklungsabteilungen denken wir auch darüber nach, wie es z.B. bei der Logistik weitergehen kann, über konsolidierte mechatronische Stücklisten, über Änderungsdienste oder weitergehende Konfigurationen. Attraktive Ansätze werden uns hier so schnell nicht ausgehen, aber wir konzentrieren uns jetzt erst einmal auf die Grundfunktionalität und deren Umsetzung in der Praxis.

Brandl: Der Teil der Wertschöpfungskette, den wir mit dem Syngineer ansprechen und begleiten können, ist nach oben hin offen. Für den ersten Schritt haben wir ganz bewusst eine Strategie gewählt, mit der wir schnell viele Anwender erreichen können. Den weiteren Weg werden das Feedback und die Bedürfnisse unserer Kunden aufzeigen. Über diese Schritte entscheiden wir aber erst dann, wenn uns der erste gelungen ist.

Vielen Dank für das Gespräch.


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