Deutschland sollte mehr auf die eigenen Fähigkeiten setzen

Mehr digitale Souveränität

Digitale Souveränität hat in der deutschen Wirtschaft inzwischen einen herausragenden Stellenwert: Deutschland sei bei digitalen Technologien zu sehr auf Importe angewiesen, sollte verstärkt in eigene Entwicklungen investieren und auf dem Weltmarkt gemeinsam mit Europa eigenständiger und selbstbewusster auftreten, um neue Gestaltungs- und Innovationsspielräume zu gewinnen. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Befragung von mehr als 1.100 Unternehmen aller Branchen in Deutschland ab 20 Mitarbeitern im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Zur Entwicklung digitaler Souveränität besteht demnach ein breiter, branchenübergreifender Konsens: Nahezu alle Unternehmen (95 Prozent) sind der Ansicht, dass Deutschland vermehrt auf eigene technologische Fähigkeiten bauen sollte. Aktuell sind Digital-Importe (Endgeräte, Bauteile und Software, Services) existenziell wichtig für die deutsche Wirtschaft. 94 Prozent der Unternehmen sind darauf angewiesen. Darunter hält sich eine große Mehrheit für nur kurzzeitig überlebensfähig, wenn digitale Technologien bzw. Dienstleistungen plötzlich nicht mehr aus dem Ausland bezogen werden könnten. Dabei sind die wichtigsten Handlepartner die EU-Länder (80 Prozent) gefolgt von den USA (74 Prozent) und China (62 Prozent). Mit der Corona-Krise hat sich das digitale Ungleichgewicht nach Einschätzung der Unternehmen weiter verschärft. Acht von zehn (81 Prozent) erwarten, dass die führenden Technologiekonzerne ihre Vormachtstellung weiter ausbauen werden. 74 Prozent sehen durch die Corona-Pandemie verschärfte internationale Ungleichheiten im Wettbewerb um digitale Technologien. Vier von zehn (41 Prozent) gehen sogar davon aus, dass der technologische Vorsprung anderer Länder für Deutschland nicht mehr aufzuholen ist.

Abhängig vom Import

Acht von zehn Unternehmen (80 Prozent) halten Deutschland für abhängig vom Import bzw. vom Bezug digitaler Technologien, Dienstleistungen und Expertise aus anderen Ländern. Das ist der höchste Wert im Vergleich der untersuchten Wirtschaftsräume. Jeweils zwei Drittel sehen die restliche Europäische Union (68 Prozent) und das Vereinigte Königreich (68 Prozent) als abhängig an, bei Russland (51 Prozent), den USA (48 Prozent) und Japan (46 Prozent) ist es etwa jedes zweite. Als vergleichsweise wenig abhängig gilt China (31 Prozent). Jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) geht davon aus, dass die Abhängigkeit Deutschlands und Europas in den kommenden fünf Jahren weiter zunimmt. „Sicherlich fällt der Blick auf das eigene Land immer besonders kritisch aus. Nach vorne gedacht müssen wir Projekte wie die europäische Cloud-Initiative Gaia-X noch entschiedener vorantreiben“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Abhänigkeit bei Hardware

Die Abhängigkeit Deutschlands ist nach Einschätzung der Unternehmen am größten bei Hardware-Importen. Acht von zehn (81 Prozent) schätzen Deutschland als abhängig vom Import von IT- bzw. Kommunikationsgeräten und -systemen ein. Sieben von zehn (71 Prozent) sagen das für 5G-Technologie. Jeweils rund zwei Drittel sehen eine Abhängigkeit bei künstlicher Intelligenz (68 Prozent), Virtual bzw. Augmented Reality (67 Prozent), Quantencomputern (65 Prozent) und Blockchain (65 Prozent).

Sicherheit ist wichtig

Bei der Wahl ausländischer Geschäftspartner im Zusammenhang mit digitalen Produkten und Dienstleistungen spielen neben Preis und Leistung insbesondere Sicherheit, Vertrauen und Verlässlichkeit eine entscheide Rolle. Neun von zehn Unternehmen (87 Prozent) achten beispielsweise auf Rechtssicherheit im Land des Geschäftspartners. Dabei genießen EU-Länder bei 89 Prozent großes Vertrauen, gefolgt von Japan (61 Prozent) und dem Vereinigte Königreich (59 Prozent). Indien (41 Prozent) rangiert dabei noch vor den USA (39 Prozent), die nur knapp vor China (31 Prozent) landen. Einigkeit herrscht darüber, dass einseitige Abhängigkeiten bei digitalen Technologien zu vermeiden sind: Ausnahmslos jedes Unternehmen (100 Prozent) sagt, Deutschland müsse mehr digitale Souveränität erlangen. Allgemein wünschen sich die Unternehmen mehr Selbstbestimmung. Acht von zehn (81 Prozent) sind der Ansicht, dass die deutsche Wirtschaft generell zu stark vom Ausland abhängig ist. Zwei Drittel (64 Prozent) meinen, dass Deutschland und Europa in globalen Handelsstreitigkeiten zu passiv auftreten. Eine übergroße Mehrheit (94 Prozent) wünscht sich, Deutschland solle sich dafür einsetzen, dass die EU im Handel auf Augenhöhe mit China und den USA agiert.

Seiten: 1 2