Interview mit Paul E. Schall

Interview mit Paul E. Schall

Standardisierte
Komponenten brauchen
keine Messepräsentation

Vom 5. bis 8. Oktober 2015 findet zum 34. Mal die Motek statt. Dabei will die Fachmesse als Branchenplattform die ganze Welt der Automation abdecken. Über diesen Anspruch und die Highlights in diesem Jahr hat das SPS-MAGAZIN mit Veranstalter Paul E. Schall gesprochen.

Termin: Montag, 5.10. bis Donnerstag, 8.10.

Veranstaltungsort: Halle 3 bis 9 der Landesmesse Stuttgart, Messepiazza, 70629 Stuttgart

Öffnungszeiten: 9:00 bis 17:00 Uhr

Preise: Tageskarte 28E (erm. 20E), Zweitageskarte 45E

Die Motek war vormals sehr stark auf die Montage und Handhabungstechnik ausgerichtet. In den vergangenen Jahren präsentiert sie sich aber zunehmend als Fachmesse für Automatisierung, was durch den Claim der Messe unterstrichen wird. Was hat es mit dieser neuen bzw. zusätzlichen Ausrichtung auf sich und welches Gewicht behält die ehemalige Spezialisierung bei?

Paul E. Schall: In der Tat steht der Name Motek zunächst für Montage- und Handhabungstechnik und hat sich hier im Laufe der Jahre zur Top-Marke entwickelt. Jedoch haben wir von Anbeginn viel Wert darauf gelegt, dass die Messe sowohl Komponenten als auch Teilsysteme und schlüsselfertige Komplettlösungen präsentiert, um den Fachbesuchern bzw. Anwendern die ganze Bandbreite an Lösungsmöglichkeiten für die Bewältigung ihrer Rationalisierungs- und Automatisierungsanforderungen bieten zu können. Mit dem später aufgekommenen jedoch unterschiedlich definierten und vielfach Verwirrung stiftenden Begriff Automatisierungstechnik vollzog sich sowohl seitens der Anbieter als auch der Anwender ein Wandel zum Begriff Automatisierungslösungen. Damit sind hier aber die Produktions- und Montage- sowie die Materialflussautomatisierung in Gestalt von Handhabung, Robotik, Greiftechnik sowie Intralogistik gemeint, und eben nicht die Automatisierung von Industrieprozessen etwa durch intelligente Steuerungs- und Leitsysteme. Die Motek ist heute anerkannte Fachmesse für die Produktions- und Montageautomatisierung in verschiedenen Industriesegmenten. Die Integration von Detailprozessen wie Prüfen, Fügen und Verbinden, Codieren und Verpacken sowie Kennzeichnen und dergleichen mehr führt in der Praxis von selbst dazu, dass sich die Spezialisierung der Motek nicht auflöst, sondern verschiedene zum Beispiel in der Produktion und Montage relevante Disziplinen zusammenführt.

Von der Hannover Messe über die Automatica bis hin zur SPS IPC Drives schreiben sich auch andere Messen die Automatisierung groß auf die Fahne. Was hebt die Motek an dieser Stelle hervor? Was kann die Fachmesse, das die anderen nicht können?

Schall: Womit wir wieder bei der Definition des Begriffs Automatisierung wären. Wir legen den Fokus ganz klar auf die Automatisierung durch Industrial Handling, beginnend z.B. bei der Nutzung eines Linearmoduls und endend bei einer robotergestützten Montageanlage. Folgerichtig findet der Konstrukteur auf der Motek die gesuchten Komponente genauso wie der Hersteller von Sondermaschinen alle Bausteine zur Realisierung einer kunden- bzw. anwenderspezifischen Montageanlage oder produktionsintegrierten Handhabungslösung. Der Unterschied zu den anderen genannten Messen ist: Dort werden Komponenten eher aus Sicht der langfristigen Beschaffung und der neuen Möglichkeiten für die Konstrukteure geboten. Wir dagegen präsentieren eine Vielfalt an aktuell benötigten Komponenten aus der praxisgestählten Sicht des Anwenders, nämlich als mögliche, direkt verfügbare Baustein einer Detail- oder Gesamtlösung. Standardisierte Komponenten als Katalogware brauchen keine Messepräsentation. Dafür gibt es das Internet. Die besagten Komponenten jedoch vor Ort in Funktion und in ihrer Wirkungsweise zu erleben, bringt die Anwender weiter.

Engineering und Software übernehmen zunehmend eine Schlüsselposition in Maschinenbau und Automatisierung. Geraten im Umkehrschluss Hardware und Mechanik ins Hintertreffen und wie reagieren Sie auf diese sich ändernden Faktoren?

Schall: Zur Motek und Bondexpo zählen wir mittlerweile weit über 150 Aussteller, die sich als Hersteller von Komplettsystemen und als Systemintegratoren naturgemäß mit dem Engineering sowie mit der Hard- und Software befassen müssen. Wir allein sind in der Lage, auf Grund des Angebots an Komponenten, Baugruppen, Subsystemen und Komplettlösungen in Hard- und Software, die jeweils benötigte Prozesskette lückenlos darzustellen.

Die Motek findet in diesem Jahr in beiden Flügeln des Stuttgarter Messegeländes statt, statt wie bisher ’nur‘ in den ungeraden Hallen von 1 bis 9. Welche Gründe stecken hinter dieser Entscheidung und was verändert sich für die Besucher?

Schall: Wenn wir ganz ehrlich sein wollen, waren wir mit der anfangs hochgelobten Landesmesse Stuttgart schon bald am Hadern. Denn die zweiflügelige Hallenanlage mit der prominenten Halle I am Haupteingang Ost erwies sich schnell als suboptimal bezüglich Führung der Besucher. Der morgendliche Run in die flächenmäßig größte Halle 1 absorbiert auf lange Zeit die Besucher, die erst nach und nach in die Hallen 3, 5, 7, 9 oder 4, 6, 8 und demnächst 10 sickern. Umgekehrt leerten sich nach dem Ansturm schon am frühen Nachmittag die Hallen 1, 3 und 5. Das führte zu Wartezeiten und öfters auch zum Frust bei den Ausstellern und deshalb mussten wir Maßnahmen für die Besucherverteilung ergreifen. Mit der neuen Konstellation ist diese deutlich besser zu lösen, Darum haben wir die Chance bereits für das Jahr 2015 wahrgenommen und können unseren Ausstellern Hallenflächen mit mehr direkten Zulaufmöglichkeiten offerieren. Der Hauptgrund für die neue Konstellation war und ist, abgesehen vom neuen durch den Bau der Halle 10 bedingten Layout mit Aufwertung des Eingangs West, der Eigenbedarf der Stuttgarter Messegesellschaft. Sie will in der Großhalle 1 neue Themen-Messen etablieren. Das haben wir nicht zu kommentieren, sind am Ende jedoch froh darüber, weil sich uns und unseren Ausstellern neue Belegungsmöglichkeiten eröffnen. Natürlich mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten bei den Ausstellern, die in Halle 1 etabliert waren. Da wir jedoch im Prinzip die Motek mit Bondexpo einfach um eine Halle verschoben haben und gleichzeitig blockförmig anordnen konnten, sehen wir das neue Layout als absoluten Gewinn für die Aussteller, die Fachbesucher und für uns an.

Welche Highlights erwarten den Besucher in diesem Oktober in Stuttgart: a) in Bezug auf die Automatisierung, b) in mechatronischer Hinsicht und c) in den Bereichen Engineering und Software?

Schall: Wenn Automatisierung als Produktions- und Montage- sowie Materialfluss-Automatisierung zu verstehen ist, dann sind die mehr als 150 als Sondermaschinen-, Montageanlagenbauer- und Roboter-/System-Integratoren identifizierten Aussteller das Kompetenz- und Knowhow- Highlight schlechthin. Bezüglich der Mechatronik sehen wir eine Vielzahl an kompletten und sofort integrationsfähigen Handling-Modulen sowie kombinierten Hubweg-/Presskraft-Servospindeln für Präzisions-Füge-/Einpress-Operationen inklusive Einpressüberwachung. Engineering ist elementarer Bestandteil der Projektierung und System-Integration, weshalb die Motek durchaus auch das Prädikat ‚Engineering-Plattform‘ tragen darf. Software schließlich ist in Zeiten der überall propagierten Initiative Industrie 4.0 an fast allen Ausstellungsobjekten zum Greifen, nämlich in dem sich diese als integrationsfähig in übergeordnete Steuerungs-, Kommunikations- und Prozessleitsysteme erweisen. Ansonsten sehen wir wie so mancher Aussteller den Hype um Industrie 4.0 gelassen, denn die Umsetzung vor Ort bleibt im wahrsten Sinne des Wortes prozesssicherem Industrial Handling vorbehalten.

Wo geht es hin in den kommenden Jahren? Wo liegt die Mission der Motek und welche Herausforderungen gilt es dafür zu meistern? Bitte wagen Sie einen Ausblick.

Schall: Die Motek hat sich in den vergangenen Jahren genauso gewandelt wie der Bedarf der Anwender und damit das Angebot der Hersteller und Anbieter. Eigentlich waren wir sogar Vorreiter, in dem wir zum Beispiel den komplementären Fachmessen-Satellit Bondexpo ins Leben riefen und damit die Montagetechnik-Prozesskette geschlossen haben, bevor überhaupt der Prozesskettengedanke das Industrieleben umzuwandeln begann. Seit einiger Zeit gestaltet die Motek den Übergang weg vom massiven Einsatz pneumatischer hin zum verstärkten Anwendung mechatronischer Servoantriebe inklusive Software für den hochflexiblen und hocheffizienten sowie energiesparenden und qualitätsorientierten Betrieb nach Bedarf. Wir bleiben dabei, und stellen unseren Fachbesuchern auch in Zukunft die ganze Bandbreite an Komponenten, Subsystemen und Komplettlösungen für Detail- und Komplettprozesse zur Ansicht vor Ort zur Verfügung. (mby)