„Das Medium ist egal“

„Das Medium ist egal“

Interview mit Rexroth-Vorstand Steffen Haack

Verglichen mit Elektromechanik war die Hydraulik bei linearen Bewegungsaufgaben an mancher Stelle ins Hintertreffen geraten, beispielsweise in Fragen der Effizienz oder Funktionalität. Doch auf dem Weg zur intelligenten Fabrik wird auch die Fluidtechnik smart. Steht also eine Renaissance der Hydraulik an? Darüber hat das SPS-MAGAZIN mit Dr. Steffen Haack gesprochen, Vorstandsmitglied und verantwortlich für industrielle Anwendungen bei Bosch Rexroth.

Bosch Rexroth präsentiert auf der Motek 2015 das modulare Kettenfördersystem VarioFlow plus. Es zielt auf eine schnelle Montage bei einem leisen und wirtschaftlichen Betrieb ab. Die Wahl zwischen sechs Spurgrößen von 65 bis 320mm, sieben Kettentypen und zwei Ausführungen in Aluminium und Edelstahl mit FDA-konformen Werkstoffen eröffnet ein breites Einsatzspektrum. Der Lauf des Fördersystems ist durch Gleitleisten mit seitlicher Fixierung, reibungsarmer Materialien und patentierter Gelenkbolzen besonders leise. Damit weist VarioFlow plus mit einer Kettenzugkraft von bis zu 1.250N zugleich gute Gleiteigenschaften auf, die mit einem geringeren Verschleiß und einer schnellen, funktionssicheren Montage einhergehen. VarioFlow plus ist als anwenderfreundliches Baukastensystem auch auf eine schnelle Inbetriebnahme ausgelegt. Denn das Kettenfördersystem setzt sich aus standardisierten, lagerhaltigen Funktionskomponenten zusammen, die sich in Verbindung mit einer smarten Verbindungstechnik rasch montieren lassen.

Welche Entwicklungen gibt es aufseiten der Hydraulik, wenn man an die Fabrik der Zukunft denkt?

Steffen Haack: Es zeichnen sich in diesem Bereich zwei Trends ab. Einer ist die Elektrifizierung der Antriebstechnik von Maschinen und Anlagen, durch Hydrauliksysteme teilweise abgelöst werden. Zweitens hält die Elektronik Einzug in die Bauteile der Hydraulik. Wir bei Bosch Rexroth begleiten beide Entwicklungen – sowohl Elektrifizierung als auch Elektronifizierung. So können unsere Kunden mit vorkonfigurierten Achsen ihre Applikation elektromechanisch oder elektrohydraulisch lösen.

Der Kunde kann frei wählen, ohne das Risiko funktioneller Nachteile auf der einen oder anderen Seite?

Haack: Wenn Sie die beiden Achsen nebeneinander stellen, gibt es auf den ersten Blick keine offensichtlichen Unterschiede zwischen der elektrohydraulischen und der elektromechanischen Lösung. Beide sind ein in sich gekapseltes System. Sie lassen sich völlig autark einbauen und auch die Inbetriebnahme funktioniert bei beiden Lösungen gleich schnell. Der Inbetriebnehmer muss sich letztendlich nur um den Anschluss der Kabel kümmern – mehr gibt es für ihn nicht zu tun.

Nach welchen Kriterien entscheidet sich der Anwender dann, bzw. nach welchen Kriterien beraten Sie ihn?

Haack: Das kommt immer auf den An- wendungsfall an. Nehmen wir zum Beispiel ein Walzwerk oder ähnliche Anwendungen: hier bietet sich eher die Elektrohydraulik an, da die Elektromech-anik oft nicht genug Leistungsdichte liefert. Die Hydraulik erreicht hier hinsichtlich der Kraft den Faktor zehn im Vergleich zur Elektromechanik.

Erhält die Hydraulik durch den Einzug der Elektronik das nötige Potenzial für Industrie 4.0?

Haack: Industrie 4.0 ist der nächste Schritt der Automatisierung, auf den wir schon seit langem hinarbeiten. In der Industrie 4.0 wird die virtuelle Welt des Internets mit der realen Welt der Maschinen und Produktionsanlagen vernetzt. Einen grundlegenden Schritt für die Umsetzung in die Praxis hat Rexroth vor zwei Jahren mit der Schnittstelle Open Core Engineering gemacht. Heute zeigen wir mit unseren neuen Hydraulikaggregaten, wie die Hydraulik fit für Industrie 4.0 wird. Dafür haben wir ein Standardaggregat mit verschiedenen Sensoren ausgerüstet. Sie messen z.B. Verschmutzung, Füllhöhe oder Druck und schicken die Daten an einen Busknoten, über den der Endanwender präventiv über Ausfallerscheinungen und Co. informiert wird.

Sie haben also Ansätze von Condition Monitoring und der zustandsorientierten Wartung auf die Hydrarulik übertragen. Ist das entsprechend auch remote einsehbar?

Haack: Ja, die Möglichkeiten unserer präventiven Wartung funktionieren auch über eine private Cloud.

Wie sieht es denn bei der Regelungsgüte aus? Steht die Elektrohydraulik der Elektromechanik hier noch nach?

Haack: Regelungstechnisch sind wir in der Lage, die Nichtlinearitäten in der Fluidtechnik abzubilden. Kurz gesagt: Heute ist es egal, ob Sie eine hydraulische Achse einsetzen, eine pneumatische oder eine elektrische. Das Konfigurations-Tool ist dasselbe – nur das Medium ist ein anderes. Auch für die Frage, wo die Regelung platziert ist gilt heute bei der Hydraulik für alle Varianten: zentral in der Steuerung, mit einer Zwischenbox oder auch vor Ort auf einem Ventil.

Das klingt so, als ob die Elektronifizierung eine gewisse Renaissance für die Fluidtechnik einleite.

Haack: Korrekt. Die Hydraulik wird durch die Elektronifizierung deutlich wettbewerbsfähiger als sie es vorher war. Das ist überhaupt gar keine Frage.

Wie viel Sinn machen denn Hybridsysteme, also die Kombination von hydraulischen Achsen mit elektrischen Achsen in einer Anlage?

Haack: Solche Hybridsysteme werden in vielen Maschinen eingesetzt. Es gibt eben immer Maschinenfunktionen, die sich besser elektrisch lösen lassen, und andere, die vorwiegend hydraulisch umgesetzt werden. Es ist eine Frage von Vor- und Nachteilen – Bauraum, Leistungsdichte, Energiebedarf. Das ist abhängig von der Funktionsweise der Maschine.

Stichpunkt Industrie 4.0: Welche Punkte sehen Sie denn hier, auf die es als nächstes zu reagieren gilt?

Haack: Hier wird es keinen Big Bang geben, durch den ab morgen alles Industrie 4.0 ist. Deshalb gehen wir den Weg der kleinen, schnell umsetzbaren Schritte. Bosch hat ja mehr als 280 Werke weltweit und derzeit laufen rund 100 konkrete Projekte, von ganz klein bis zu kompletten Linien, bei denen wir selbst Industrie 4.0 testen. Anhand praktischer Projekte lernen wir als Leitanwender, den Nutzen zu erkennen und ihn als Leitanbieter in Nutzen für unsere Kunden umzusetzen. Denn am Ende wird sich Industrie 4.0 nur durchsetzen, wenn es einen wirtschaftlichen Nutzen für den Kunden hat.

Können Sie ein konkretes Beispiel aus einem Produktionswerk der Unternehmensgruppe nennen?

Haack: Ja. In unserer Fertigung gibt es zum Beispiel eine Montagelinie, auf der wir Hydraulikventile in 200 Varianten fertigen können. Nicht jeder Kunde hat einen Bedarf von 1.000 gleichen Ventilen. Viel öfter werden unterschiedliche Ventile in geringen Stückzahlen gebraucht. Man muss die Produktion also schnell und flexibel umstellen können. Unsere Multiproduktlinie schafft das ohne Umrüstzeiten – hocheffizient und für Losgröße 1.

Ist denn Industrie 4.0 nur etwas für Großunternehmen oder auch für den Mittelstand interessant?

Haack: Langfristig wird Industrie 4.0 die Wertschöpfung in allen Branchen prägen und verändern. Die Lösungen sind also auch für den Mittelstand interessant. Bei der Umsetzung wird es nicht den einen richtigen Weg geben. Das ist eine organisatorische Aufgabe, die jedes Unternehmen für sich lösen muss. Persönlich denke ich, dass sich der erste nachweisbare Nutzen beim Thema Service zeigen wird. Aber nur durch die Anwendung in unseren eigenen Produktionsanlagen können wir den Nutzen gegenüber dem Kunden auch wirklich belegen.


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