Teil 10 der Serie ‚Autonome Systeme‘ – Werte und Ethik

„Wir müssen den Maschinen Meta-Regeln mitgeben“

Die Leistungsfähigkeit autonomer Systeme nimmt zu. Wie stellen Sie sicher, dass diese Systeme auf Dauer die geplanten Aufgaben übernehmen und nicht darüber hinausgehen, also beherrschbar bleiben?

Dr. Kurt D. Bettenhausen: Lassen Sie uns für einen Moment von der Annahme ausgehen, dass die Leistungsfähigkeit tatsächlich in einen Bereich steigt, in dem autonome Systeme sich selbständig über ihren eigentlichen Bestimmungszweck hinaus weiterentwickeln können. Grundsätzlich bleiben drei Möglichkeiten: Dem Erbauer des autonomen Systems ethische Regeln für das Design der Systeme zu geben, das System selbst zu reglementieren oder dem System Regeln mitzugeben, die seine Weiterentwicklung lenken.

Welche dieser drei Möglichkeiten halten Sie langfristig für die wirksamste?

Bettenhausen: Solange wir über Systeme reden, die nicht KI-basiert sind, ist es vollkommen ausreichend, wenn die Personen, die sie konstruieren und programmieren, ethischen Werten folgen. Das System selbst reglementieren zu wollen, wird sich auf Dauer als Hase-und-Igel-Spiel entwickeln, bei dem die Regeln und die Regelnden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit dem technologischen Fortschritt werden mithalten können. In dem Moment jedoch, in dem das eigenständige Lernen eines Systems ins Spiel kommt, z.B. über Methoden wie Deep Learning, müssen wir uns über übergeordnete, sogenannte Meta-Regeln Gedanken machen. Und das müssen wir tun, bevor wir die Maschinen in unsere Umwelt lassen. Denken Sie beispielsweise nur an den Chatbot, der innerhalb eines einzigen Tages rassistische Propaganda verbreitete oder an die Chatbots, die in kürzester Zeit eine für Menschen unverständliche Sprache entwickelten. Wir dürfen nicht die Kontrolle verlieren und wir müssen den Maschinen zugleich Meta-Regeln mitgeben, die sie zwingend befolgen müssen.

Deep-Learning-Systeme können wir nicht mehr kontrollieren?

Bettenhausen: Zumindest können wir nicht zu jedem Zeitpunkt schnell genug vorhersagen, was genau sie lernen und gegebenenfalls in Echtzeit anwenden werden. Bei Maschinen, die aus der immer größer werdenden Menge an Daten Wissen und über deren Analyse Erkenntnisse ziehen, können wir nicht sagen, was sie in einem Jahr lernen werden. Sie tun dies selbstverständlich nur im vorgegebenen Bereich. Ein smarter Staubsauger wird, so intelligent er auch werden mag, morgen nicht Ihre Spülmaschine ausräumen. Aber bleiben wir bei diesem Beispiel: Wenn der intelligente Staubsauger erkennt, dass es besonders der Hund ist, der den größten Dreck verursacht, muss er einen effizienten Weg finden, Haare und Dreck schnell zu entfernen. Er darf nicht auf die Idee kommen, den Hund rauszuschmeißen und ihm den Eingang zu verwehren oder ihn vorsorglich komplett kahl zu scheren – oder eben Schlimmeres. Er braucht also übergeordnete Regeln. Als Ausgangsbasis können die bekannten Robotergesetze von Asimov herhalten. Gerade das zweite Gesetz, der Roboter muss den menschlichen Befehlen gehorchen, ist angesichts von Kriegen und Terroranschlägen wohl differenzierter zu betrachten. Aber sie sind ein erster Schritt und eben schon 75 Jahre alt.

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